Land des Lächelns

Einmal ein Interview im ZiB 2-Studio führen, wer hat sich das nicht schon einmal vorgestellt? Und zwar so eines, dass dem Gegenüber das Lächeln vergeht.

Harry Bergmann
am 08.06.2021

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50 Shades of Lächeln, wohlbekannt aus dem ZiB 2-Studio

Was würde ich dafür geben, so elegant Tennisspielen zu können, wie Roger Federer, so verwegen Autofahren zu können, wie Lewis Hamilton, so tolle Kolumnen schreiben zu können, wie Thomas Friedman (da könnte ich auch tolle Kohle machen, Armin!), so ausdrucksstark dirigieren zu können, wie Teodor Currentzis, so unvergessliche Filme kreieren zu können, wie Wes Anderson (oder meine Söhne), so feinsinnige Interviews machen zu können, wie Christiane Amanpour oder eben Lou Lorenz-Dittlbacher.

Letztere hatte vor einigen Tagen Dr. B. zu Gast im Studio, der über seinen Freund Dr. P. Privates – also nichts Öffentliches oder in Anwesenheit einer dritten Person – zu erzählen wusste. Ich war begeistert. Nicht über Dr. B., auch nicht über sein breites Grinsen, wenn er glaubte, wieder eine tolle Volte geschlagen zu haben. Nein, über Frau Lorenz-Dittlbacher, Ihre Gesprächsführung, ihre nimmermüde Geduld und eben ihr nonchalantes Übersehen dieses Grinsens, oder war es ein Lächeln?

Kurz vor dem Einschlafen, spielte ich das Interview – im Kopf – nochmals durch. Vor dem Einschlafen und kurz nach dem Aufwachen sind die Gedanken am klarsten und daher kann es durchaus etwas mit der Erkenntnis zu tun gehabt haben, dass ich nie so Tennisspielen werde wie Federer, so Autofahren wie Hamilton, so schreiben wie Friedman. Aber vielleicht könnte ich einmal – nur einmal – so ein tolles Interview machen. Aber dann gleich so, dass dem Gegenüber das Lächeln vergeht.

Die erste Frage ist die wichtigste. Sie gibt das Klima des Gesprächs vor, sie zeigt, die Absicht und Entschlossenheit des Interviewers und manchmal – wenn sie völlig überraschend und ansatzlos daherkommt – hebelt sie den Interviewten sofort aus seiner einstudierten und einzementierten Argumentationslinie aus.

IaA (Ich als Anchorman): Wie ist Ihre Verfassung, Herr Dr. B?

Dr. B.: Wenn Sie das persönlich meinen, dann finde ich mich zum Kotzen. Da muss ich Helmut Zilk zustimmen. Wenn Sie das verfassungsrechtlich meinen, dann kann ich nur auf meinen leider viel zu früh verstorbenen Freund Che Guevara verweisen, der sagte „Cuba libre“, womit er zum Ausdruck bringen wollte, dass die Verfassung lieber in Kuba sein sollte. Da möchte ich auch meinem leider viel zu früh suspendierten Freund Dr. P. beipflichten, der – inhaltlich sattelfest wie immer – zu ebendieser Ansicht gelangte (lächelt unmotiviert). Und wenn ich das noch hinzufügen darf……

IaA: …Herr Dr. B., ich muss Sie leider kurz unterbrechen. Das stimmt so nicht.

Dr. B.: Genau. Was ich da in den Medien über mich höre und sehe, stimmt so nicht. Und das macht mich traurig, sehr traurig, sehr sehr traurig (lächelt deplaziert).

IaA: … das meinte ich nicht, ich wollte nur klarstellen, dass Che Guevara nicht Ihr Freund gewesen sein kann. Als Che Guevara in Bolivien starb, waren sie 10 Jahre alt.

Dr. B.: …wollen Sie mir vielleicht auch meine Freundschaft zu Dr. P. absprechen (lächelt gefährlich)?

IaA: Nein, im Gegenteil. Auf diese Freundschaft wollte ich gerade zu sprechen kommen. Als Dr. P. chattete, was er chattete, hätten Sie ihm nicht – im Andreas Kholschen Sinne – eine auflegen müssen?

Dr. B.: Nein, das ist mir völlig wesensfremd. Und weil Sie sagen, „eine auflegen“: das muss man sich unter Justiz-Experten schon auch verwaltungsrechtlich ansehen. Verwaltungsrechtlich stellt eine „Auflage“ eine Belastung dar. Hätte ich also meinen stets bescheiden auftretenden, jüngeren Kollegen, Sektionschef P. noch zusätzlich belasten sollen (lächelt so arrogant, dass IaA ihn am liebsten …)?

Dr. B: Lassen Sie mich also bitte einen brillanten Gedanken, den ich schon in der Politik… (setzt zu einem überlegenen Lächeln an, kommt aber nicht dazu)

IaA: … aber es geht nicht um Politik, es geht um Sie als Höchstrichter.

Dr. B.: Ja, das wollte ich ja gerade sagen. Als Höchstrichter habe ich moralischen Standards zu genügen, die sich normale Sterbliche, die ich zwar nur vom Hörensagen kenne, gar nicht vorstellen können. Und daher wäre ich in einem halböffentlichen Gespräch dem Kollegen sehr wohl in die Parade gefahren (verzichtet ausnahmsweise auf ein Lächeln).

IaA: Was bitte ist ein halböffentliches Gespräch?

Dr. B.: Wenn Sie zum Beispiel in einer Toilette sprechen, aber die Tür ist halboffen. Wenn die Tür ganz offen ist, dann wird natürlich ein öffentliches Gespräch daraus. Aber das werden Sie bei mir nicht finden.

IaA: Was werde ich nicht finden?

Dr. B.: Gar nichts werden Sie bei mir finden, weil ich nichts Schlimmes gemacht habe. Und ich immer davor gewarnt habe, diese Türe zu öffnen.

IaA: Die Toilettentür?

Dr. B.: Nein, Sie… (lächelt mitleidig). Die Tür zwischen privat und öffentlich.

IaA: Türe ist ein gutes Stichwort. Sie haben ja einen befreundeten Geschäftsmann gewarnt, dass bald eine Durchsuchung mit der Tür in sein Haus fallen wird und ihn beraten, wie er sich dabei zu verhalten hat.

Dr. B (beginnt zu singen): „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen sagt man, bleiben darunter verborgen…“

IaA: Sind sie jetzt völlig abgehoben?

Dr.B: Ich will nur sagen, dass das das alles aus der Luft gegriffen ist (lächelt beschwingt).

IaA: Ist Ihnen zumindest das mit der Müllfrau peinlich?

Dr. B: Ich habe mit der Müllfrau – soweit das überhaupt in diesem riesigen Misthaufen möglich ist – das Gespräch gesucht, aber leider nicht gefunden. Ich habe mich aber dann mit einem alten Freund bei der KMA 48 (Kubanische Magistratsabteilung 48) ausgetauscht (lacht schallend).

IaA (entnervt): Warum lachen Sie?

Dr. B.: Diese Frage hat schon vor Monaten Armin Wolf Pamela Rendi-Wagner gestellt und bis heute keine erhellende Antwort darauf bekommen (lächelt erhellend).

Am nächsten Morgen rufe ich Frau Lorenz-Dittlbacher an und sage nur: „Ich bewundere Sie. Ich weiß wirklich nicht, wie Sie das machen.“ Entschuldige mich für die frühe Störung und lege beschämt auf.

Ihr Harry Bergmann


Dr. Harry Bergmann, Werbedilettant (gar nicht einmal so schlecht), Kolumnisten-Dilettant (na, ja…). Hat durch das Schreiben einige Freunde verloren, aber mehr gewonnen (glaubt er zumindest). Denkt seit einiger Zeit darüber nach, ob der Flug Wien – Tel Aviv ein Hinflug oder ein Rückflug ist.

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