„Noch einen Verlängerten, bitte!“

Über den verlängerten Lockdown und den Auftritt des großen Philosophen Hermann Schützenhöfer

Harry Bergmann
am 19.01.2021

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APA/GEORG HOCHMUTH

„Ich werde es nicht tun.“ Immer wieder sagte ich es mir vor: „Ich werde es diesmal nicht tun. Nein, ich werde über diese Pressekonferenz nichts schreiben. Kein Wort.“

Glauben Sie mir bitte, es ist nicht der Sieg des starken Fleisches über den willigen, aber schwachen Geist, warum ich es jetzt dennoch tue. Da war ein ganz kurzer Abschnitt in der Konferenz, der einfach zu wichtig ist, um nicht nochmals vor den Vorhang geholt zu werden. Für diese Generation, aber auch für die vielen, die folgen.

Und ich tue es auch deshalb, weil ich überzeugt bin, dass der überwiegende Teil von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, es versäumt hat. Nach der etwa 30 Minuten langen Rede von Herrn Anschober, waren laut Telemetriedaten nur mehr 5% des Fernsehpublikums bei Bewusstsein. Ich selbst rutschte von der Couch und schlug ziemlich hart mit dem Kopf auf der Tischkante auf. Ich war in Sekundenbruchteilen hellwach. Sie können mir vertrauen, dass die Wahrnehmung, die ich Ihnen jetzt erzählen werde, nicht durch eine verschleppte Gehirnerschütterung beeinträchtigt ist.

Eine neue, philosophische Denkschule erblickte vor der versammelten Presse das Licht der aufgeklärten Welt. Eine Denkschule, die vieles, was uns bisher als richtig erschienen ist, in berechtigten Zweifel ziehen wird. Ein gewisser Schützenhofer, bisher nur landespolitisch Interessierten – also kaum jemandem – bekannt, kommt in die Stadt von Sigmund Freud, Karl Popper und Ludwig Wittgenstein, stellt sich einfach so hin und verkündet seine Botschaft: „Eine Entscheidung ist deshalb richtig, weil sie getroffen wurde.“ Na bumm. Das sitzt. Die Mauern der Alten Universität erzittern.

Überlegen Sie bitte, wie das die Welt von Morgen und Übermorgen verändern wird. Die Entscheidungsfreude, ein wesentlicher Motor der menschlichen Entwicklung, wird exponentiell zunehmen. Der Zauderer oder gar Hinterfrager wird dort seinen Platz finden, wo er keinen Schaden mehr anrichten kann.

Der Name Spitzenhofer, pardon Schützenberger, wird bald auf einer Stufe mit Sokrates, der ohnehin nur wusste, dass er nichts wusste, und mit Descartes, der nur bis zur Erkenntnis „Ich denke, also bin ich“ gekommen war und der den entscheidenden Schritt von Sülzenhofer „Ich denke nicht, ich entscheide!“ nicht gewagt hat. Nur Schopenhauer kommt dem Genie von Spöttelberger nahe, denn er, Schopenhauer, war überzeugt, dass der Welt ein irrationales Prinzip zugrunde liegt.

Schon tauchen die ersten Neider auf, die das alles für einen Zufallsbefund im Spannungsfeld von geschlossenen Schulen und offenen Skischulen halten. Sie unterschätzen Schlitzenhauser. Er hat seinen Juvenal gelernt. „Mens sana in corpore sano.“ Eine Stunde Schifahren entwickelt den Geist, wie zwei Stunden Schulesitzen. Und deshalb will er den lächerlichen Vergleich zwischen Skiliftbetreibern und Schulbetreibern nie mehr hören. Skilifte sind Aufstiegshilfen, also durchaus vergleichbar mit Nachhilfestunden.

Gestern meldete sich schon der erste Seelenverwandte von Schützengraber zu Wort, ein gewisser Schröcksnadel. Er hatte eine Erscheinung. Genauer gesagt, er ist sich selbst erschienen. Er ist aus dem Schatten des Menschlichen in das Licht des G‘ttlichen getreten. ER kann garantieren, dass in einem Ort (der darf natürlich nicht zu groß sein) drei Tage lang sich niemand mit Covid-19 infiziert. ER glaubt das nicht, ER weiß das. Und weil ER das weiß, können ein paar junge Herren getrost einen Berg mit überhöhter Geschwindigkeit zu Tale rasen. Ob das die Knochen, Gelenke und Bänder dieser jungen Herren aushalten, hat ER bisher nicht garantiert. Aber ER hat ja noch ein paar Tage Zeit dazu.

Vergaß ich zu erwähnen, dass er unter vielem anderen auch ein Skiliftbetreiber ist? Wenn er nicht was G`ttliches hätte, würde ich ihn glatt als Teufelskerl bezeichnen. Aber vielleicht sollte ich mich nicht zu sehr von seiner roten Kappe und der roten Maske beeinflussen lassen.

Zurück zu Irdischem. Unser Corona-Karzer ist mal bis Ende erster Februarwoche verlängert. Das hat unser Herr Bundeskanzler gesagt. Auch er hat zu uns gesprochen, als Küstenheimer zu uns gesprochen hat. Verstehen sie mich bitte richtig, ich bin ein großer Befürworter dieser Maßnahme. Im Gegenteil verstehe ich all jene, die jetzt aus den Wolken fallen, nicht. Was soll denn die Regierung bei den Zahlen anderes machen? Und dann noch der Briten-Virus. „The Crown“-virus. Majestätisch, aber gefährlich. Von wegen Brexit! Jetzt gehören wir wieder alle zusammen.

Nur der Herr Mahrer sieht das anders, aber das stört schon längst keinen mehr. Bald wird er es anders sehen, also so sehen, wie wir es sehen. Nur dann sehen wir es schon längst wieder ganz anders.

Der einzige Verlängerte, der mir in nächster Zeit aufgetischt werden wird, ist wohl der Lockdown oder der Liefertermin der Impfdosen. Seufz, wann werde ich wieder in der Loge 17 sitzen?

Wenn es die dann überhaupt noch gibt. Darüber mehr in der nächsten Kolumne.

Ihr Harry Bergmann

PS: Es sind schon viele kleine Schritte für die Flüchtlinge in Kara Tepe gemacht worden. Auf den großen Schritt vom Ballhausplatz warten wir noch immer.


Dr. Harry Bergmann, kein Studienabbrecher, aber in der Werbung dennoch Autodidakt. Seit 2 Jahren nicht mehr in der Werbung, aber schon wieder Autodidakt. Diesmal beim Schreiben. Lebt in Wien und in Israel, außer es ist gerade in einem der beiden Länder ein Lockdown.


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