Wasser auf die Gebetsmühlen

In der Gebetsstunde im Parlament verquickten sich Religion und Politik auf unappetitliche Weise

Harry Bergmann
am 13.12.2020

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APA/Roland Schlager

Aus gegebenen Anlass werde ich heute das sichere säkulare Terrain meiner Kolumne verlassen und mich vorsichtig Fragen der Religion zuwenden. Die prekäre Situation, dass meine geneigten Leser und Leserinnen im Thema, über das ich schreibe, wesentlich besser bewandert sind als ich, bin ich gewohnt. Also Augen zu und durch!

Ich habe in einem alten jüdischen Gebetbuch ein Gebet gefunden, das G’tt bittet Kaiser Franz Joseph „mit den Fittichen Deiner Gnade“ zu schützen. In einem neueren Buch möge er „Dein Licht und Deine Wahrheit“ der jeweiligen Staatsführung senden. Das mit dem Licht kennen wir. Warum es G’tt gefallen hat, dieses Licht an das Ende eines Tunnels zu platzieren, ist eines der vielen Mysterien, die sich der irdischen Vorstellungskraft entziehen. Und die Wahrheit ist halt leider nicht angekommen, zumindest nicht bei der Staatsführung in Österreich. Wo sie verloren gegangen ist? Wie soll man das wissen, wenn das tracking nicht und nicht funktioniert?

Es gäbe mehrere Gründe, eine Kolumne so zu beginnen. In diesen Tagen begann Chanukka. Das hat sehr viel mit „Licht und Wahrheit“ zu tun, aber wenig mit den österreichischen Machthabern. In ein paar Tagen ist Weihnachten. Das hat viel mit den österreichischen Machthabern zu tun, aber es findet sich wohl kaum in einem jüdischen Gebetbuch. Also geht es wohl doch wieder um das Komitee des Nationalen Parlamentarischen Gebetsfrühstücks und um die Frage, ob das Parlament der richtige Ort ist, zu beten. Jetzt könnte man sagen, dass es gar keinen falschen Ort geben kann, um zu beten. Dem lieben G’tt ist es völlig egal, wo sich seine Gesprächspartner befinden.

Wenn es aber um das Parlament geht, der Einladende der 1. Präsident desselbigen ist, es sich um nichts anderes als eine gestreamte PR-Veranstaltung der ÖVP mit schütterer FPÖ- Beteiligung handelt, und nur „genehme“ Konfessionen geladen sind, dann kann man schon kurz innehalten – was beim Beten ohnehin wichtig ist – und Fragen stellen. Politische eher als theologische.

Wir haben in den letzten Tagen viel über die Trennung von Staat und Religion gelesen und gehört. Ich kann dem nichts mehr Sinnspendendes hinzufügen. Notabene ich Bürger von zwei Staaten bin, die das völlig gegensätzlich sehen. In Israel gibt es diese Trennung nicht. Israel definiert sich in seiner Unabhängigkeitserklärung als jüdischer und demokratischer Staat. In Österreich ist die Trennung von Staat und Religion in der Verfassung verankert. Österreich wäre aber nicht Österreich, würde man sich nicht sofort auf die Suche nach einem Hintertürl machen, durch das man den Gottesbezug und das christliche Erbe hindurchzwängen könnte.

Der Herr Nationalratspräsident, der den Begriff der Überparteilichkeit neu interpretiert, in dem er die Überüberparteilichkeit („Ich stehe über der Überparteilichkeit!“) eingeführt und im Ibiza-Untersuchungsausschuss schon einem wirklichen Belastungstest unterzogen hat, macht also vor den Augen einer staunenden Zuseherschaft folgendes: er dreht das Einbahnschild zwischen Religion und Staat einfach um.

Bevor ich mich dem Vorwurf „Von einem Migranten lassen wir uns nicht die Grenzen der Ausübung unseres Katholizismus erklären“ aussetze, gehe ich lieber gleich mit einem Glaubensbruder in den Clinch. Dass ausgerechnet ein jüdischer ÖVP-Abgeordneter dieser Veranstaltung ein interkonfessionelles Alibi verschafft hat, ist für mich ebenso unverständlich wie beklemmend.

„Du sollst keinen anderen Gott haben neben mir!“ Schon das 1. Gebot zeigt, dass die Schnittmenge zwischen Politik und Religion vernachlässigbar klein ist. Machterringung und Machterhalt sind die Götter, nein Götzen, der Politik. Intrige, Eitelkeit, Hochmut, Ehrgeiz, Narzissmus die Hohepriester. Die österreichische Politik kennt auch noch einen Halbgott: das Gegengeschäft. Ja, das Gegengeschäft, das Dinge möglich macht, zu denen Normalsterbliche einfach nicht fähig sind.

Und deshalb glaube ich, dass es so gelaufen ist, wo immer dieses Zwiegespräch stattgefunden hat: Der vermeintlich Allmächtige zum tatsächlich Allmächtigen: „Schau, tatsächlich Allmächtiger, können wir nicht irgendwie ins Geschäft kommen? Ich veranstalte ein Frühstücksevent zu Deinen Ehren. Du weißt, wie schwierig das in Zeiten von Corona ist. Ich lade nur Dir-Gefällige dazu ein. Vielleicht noch ein paar Gaukler der FPÖ, die Kerzen schlucken können. Ich lasse ein Video davon machen – nein, nicht so ein Video – das Dich im Parlament zeigt. Dort warst Du noch nicht. Dort war überhaupt noch niemand, weil es gerade im Umbau ist. Ha ha ha. Entschuldige den Scherz. Ich kenne da einen beleibten Mönch, der sein vorletztes Hemd verkauft hat und jetzt nur mehr sein letztes trägt, das ihm viel zu klein ist. Bei diesem quasi Mönch könnten wir quasi wertvolle Sendezeit bekommen. Das mit der Bezahlung lass meine Sorge sein. Das alles würde ich Dir zu Ehren tun, wenn Du – wie soll ich sagen – mir die Mauer oder die Leiter, wie es Dir in Deiner Güte gefällt, machen könntest. Wofür, sage ich Dir dann noch. Das wäre auch Corona-konform. Eine Hand wäscht die andere, sozusagen.“

Ich glaube, ich sollte an dieser Stelle einen sachdienlichen, interkonfessionellen Hinweis machen: mit dem lieben G`tt kann man keine Gegengeschäfte machen, Herr Sobotka.

Das beste Gegengeschäft, das mir derzeit bekannt ist: Spende gegen wärmende Decken.#Moria2 / Doro Blancke AT93 3842 0000 0002 7516

Schöne Zeit, bleiben Sie gesund. Sie werden mir abgehen.

Ihr Harry Bergmann

Dr. Harry Bergmann, kein Studienabbrecher, aber in der Werbung dennoch Autodidakt. Seit 2 Jahren nicht mehr in der Werbung, aber schon wieder Autodidakt. Diesmal beim Schreiben. Lebt in Wien und in Israel, außer es ist gerade in einem der beiden Länder ein Lockdown.


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