Loge 17

Harry Bergmann ist einer der erfolgreichsten Werber der Republik. Alle zwei Wochen schreibt er ab sofort auf falter.at die Kolumne "Loge 17".

Harry Bergmann
am 19.06.2020

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Was ist das? Ein Sitz im Theater? Ein Balkon in der Oper? Ein Geheimbund?

Nichts von alledem. Cafe Landtmann, großer Saal, letzter Tisch links am Fenster. Loge 17.

Dort habe ich mein Büro aufgeschlagen. Als ich meine frühere Wirkungsstätte – naja, ich sage halt Wirkung – nach über 40 Jahren verließ, war ich auf der Suche nach einem Büro. Vorzugsweise nach einem Coworking Space. Einer war zu groß, einer zu klein. Einer zu teuer, einer noch teurer. Vor allem war mir das alles zu einsam. Allein sein wollte ich, aber nicht mutterseelenallein.

Da fiel mir Peter Altenberg ein. „Im Kaffeehaus sitzen Leute, die alleine sein wollen, aber dazu Gesellschaft brauchen“. Ich muss sagen, das Kaffeehaus ist tatsächlich seit über 100 Jahren der ultimative Coworking Space.

Die Loge 17 im Café Landtmann. Foto: Bergmann

Jedenfalls, mein Büro und ich waren viele Wochen getrennt. Lockdown halt. Kaum durfte ich es wieder betreten – maskiert und mit einem virtuellen Babyelefanten an meiner Seite – sah ich als erstes einen Mann, der auch der letzte war, den ich vor dem Lockdown dort gesehen hatte: den Besitzer meines Büros, Herrn Querfeld.

Von Herrn Querfeld haben Sie sicher in letzter Zeit gelesen. Er, der Besitzer mehrerer Coworking Spaces in Wien, ist in eine finanzielle Melange aus manischen Kosten und depressiven Einnahmen gefallen. Daraufhin setzte er einen Mayday-Hilferuf (er besitzt nämlich auf der alten Donau auch das „Bootshaus“) an die Regierung ab. Die Hilfe kam nicht. Zumindest nicht in der Form und Zeit, in der sie versprochen wurde.

Querfeld fand das gar nicht lustig und erzählte es einer Zeitung. Schon steckte er in einer P.R.-Schlacht mit der Landwirtschaftsministerin, die in Österreich auch eine Gastwirtschaftsministerin ist, mit der Wirtschaftsministerin, die in Österreich auch eine „na-mir-ham-a-schene-Wirtschaft-da“- Ministerin ist, und wie ich glaube auch mit dem .000-Finanzminister. Die behaupteten, er habe Geld bekommen und leakten sogar den Betrag.

Das wissen Sie schon längst. Was Sie aber nicht wissen können, ist, wie das aus der Perspektive der Loge 17 ausgesehen hat. Ich sehe da oft einen Mann, der sehr elegant – eigentlich noch im Fahren – von seinem Fahrrad absteigt, um sich dann von den Obern mit „Grüß Gott, Herr Nationalratsabgeordneter“ begrüßen zu lassen. Ein Türkiser.

Also dieser Türkise, so sprach es sich im Café herum, hat Herrn Querfeld bei den türkisen Ministerien verpetzt. Was exakt hier „Verpetzen“ heißt, weiß ich nicht, weil ja eh alles schon in der Zeitung gestanden ist. Na ja, in einem Kaffeehaus nimmt man eben nicht alles so genau wie bei einem Schweizer Uhrwerk.

Passen Sie auf, jetzt wird es nämlich wirklich interessant: Hr. Querfeld ist selbst ein Schwarzer. Also: ein Türkiser verpetzt einen Schwarzen , der dann von türkisen Ministerien angeschwärzt wird. Da stimmt doch was nicht, zwischen den Türkisen und den Schwarzen. Vielleicht sind die in Wirklichkeit sogar zwei verschiedene Parteien.

Ha, dann wären ja die letzten Wahlen gar nicht verfassungskonform. Kurz kein Kanzler, Nehammer kein Innenminister. Und die Gastwirtschaftsministerin dürfte am 15. Juni nicht alle Deutschen nach Österreich lassen. Andererseits muss in der neuen Normalität nicht alles verfassungskonform sein.

Meine investigativen Beobachtungen sind aber noch nicht zu Ende. Mindestens so oft wie den Türkisen, sehe ich einen Mann, der ganz sicher ein Schwarzer ist. Schwarze erkenne ich von weitem. Die Ober verneigen sich bei ihm besonders tief und sagen „Grüß Gott, Herr Nationalratspräsident“. Vielleicht sagen sie sogar „Grüß Gott, Herr ERSTER Nationalratspräsident!“ Aber um das mit Sicherheit sagen zu können, sitze ich dann doch zu weit weg.

Lustig ist, daß dieser Schwarze eine türkise Brille aufhat. Das können Sie jetzt wortwörtlich nehmen oder aber – wie die letzten Tage nahelegen – sinnbildlich. Beides stimmt. Schon kommt meine Zwei-Parteien-Theorie ins Wanken. Denn der Schwarze mit der türkisen Brille müsste doch den schwarzen Herrn Querfeld gegen die Angriffe der türkisen Minister verteidigen, oder?

Wir leben in interessanten Zeiten (chinesischer Fluch)!

Das nächste Mal erkläre ich Ihnen, wie wichtig die Koordination meiner beiden Augen in der Loge 17 ist.

Ihr Harry Bergmann

***

Harry Bergmann. Früher der Nachname von Demner, Merlicek & Bergmann. Jetzt einfach Bergmann. Weiß nach 4 Jahrzehnten ganz genau, was er alles über Werbung noch immer nicht weiß. Hobby-Schreiber. Da weiß er noch viel weniger und findet das gerade deshalb so spannend. Lebt in Wien und Herzlia/Israel.

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