Der Mediamarkt als kirchliche Organisation und andere hochsuspekte Kathedralen wie Mar-a-Lago

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 809

Armin Thurnher
am 18.08.2022

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Der Digitaliban im roten Hemd, eine dem Propheten (Friede sei mit ihm) wohlgefällige Trendkappe auf dem lockichten Haupte, lächelte zutraulich und sprach: Jaja, das ist leider so. Das Wort Digitaliban fiel mir bei seinem Anblick ein, ich schwöre es. Ich sah gleich nach, froh über meinen Einfall, wusste jedoch eh schon instinktiv, dass es in einer Welt voller Einfallspinsel (leider auch nicht von mir) längst gefunden sein musste. Und so war es.

Ich betrat also einen Mediamarkt, um mir einen Fernseher zu kaufen, weil der alte den Geist aufgegeben hatte. Zwar säumten Reparaturschilder den Markt, und ich dachte an so etwas wie den staatlichen Reparaturbonus (eh nicht ernstlich), als Bartmann auf das von mir zaghaft vorgebrachte Wort „Reparatur“ wie beschrieben lächelte.

„Eh nicht ernstlich“ dachte ich an Reparatur, weil ich vor ein paar Tagen in einem anderen Mediamarkt weiter im Westen auf einen christlichen Missionar in roter Jacke getroffen war, der Geräte verkaufte, stoppeliger Silberbart, aber ebenfalls abgeklärtes Wesen. Dieser Mann Gottes und der Geräte klärte mich auf, zu reparieren gebe es bei den neueren Fernsehern eh nix, die kriegt man nicht einmal mehr auf. Sie hier nehmen das Gerät in Empfang, schicken es ein, die Platine wird als ganze ausgetauscht, und das kostet so viel wie ein neuer Apparat. Christlich erschien mir der Mann wegen seines abgeklärten Sanftmuts, weil er nicht lächelte, sich aber nicht scheute, mutig ein paar kritische Worte hinterherzuschicken, die ökologischen Konsequenzen dieser Entwicklung betreffend. Friede auch mit dir, Silberbart.

Ich bin mehr denn je überzeugt, dass der Mediamarkt eine Deckorganisation dafür ist, die Religionen der Welt zu digitalisieren und in einer neuen Kirche zu vereinen, die dem Götzenkult von Betandwin und dessen armen Schwestern dient. Und die multireligiösen Verkäufer sind seine Apostel.

Ich war demgemäß für meinen frommen Bartmann gewappnet, als ich ihm schilderte, wie das Problem begann: es war ein Lichtpunkt links oben auf dem Schirm, der nicht mehr verschwand. Und dann war es plötzlich ganz aus. Jaja, sagte Bartmann munter, so fängt es immer an mit der Platine. Friede sei mit ihr.


Das wollte ich Ihnen nur erzählen, um nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen; noch mehr Liebesbezeugungen Ihrerseits, alle erwidert meinerseits, wenngleich ich es nicht schaffe, Ihnen allen zu antworten. Nachtrag: bei der gestrigen Katergeschichte vergaß ich, den Fotocredit anzugeben, „Nina Barthon“ hätte er lauten sollen. Er ist jetzt nachgetragen.

Ich war so froh, als Digitaltrottel irgendwie ein Dokument gebastelt zu haben, das die drei Fotos in zeitlicher Abfolge zeigte, dass ich das Wichtigste vergaß. Versuchen Sie einmal so etwas wie Layout mit WordPress! Man muss nicht alles können, meinen Sie. Kann ich eh nicht.


Was ich aber kann, ist mir Sorgen zu machen über die Demokratie in den USA. Die Midterm-Elections nahen, und Donald Trump pusht seine Kandidatinnen durch, wo immer er kann. Es klappt nicht immer, aber im Fall von Liz Cheney gelang es ihm. Diese republikanische Abgeordnete und als Tochter ihres Vaters Dick Cheney wahrlich kein rechtes Waisenkind, empfand Donald Trump als Gefahr für die Demokratie und sagte, sie werde alles tun, um ihn zu verhindern. Vorerst verhinderte Trump ihre neuerliche Kandidatur für das House of Representatives, die Reps in Wyoming wählten seine Kandidatin Harret Hageman. Ein Name, den Sie sich nicht merken müssen.

Liberale Zeitungen lieben Cheney nun erst recht und schreiben, ihre politische Karriere beginne soeben. Sie will nicht die Bühne räumen, sondern an der Rekonstruktion einer posttrumpischen Republikanischen Partei arbeiten, die mehr ist als ein vormoderner Haufen verrückter rechter bigotter Sektierer.

Die amerikanische Öffentlichkeit ist so hysterisiert, dass es Trump leichtfällt, gegen ihn gerichtetes Sentiment umzudrehen und in Ressentiment zu verwandeln. Weil die Durchsuchung seines Anwesens Mar-a-Lago, der zentrale seiner Bad Church of Kitsch durch das FBI von Trump-Gegnern bereits als Beweis angesehen wird, dass Trump Hochverrat übte (ohne die Fakten zu kennen oder über ein Urteil zu verfügen), kann Trump wieder die verfolgende Unschuld (auch nicht von mir) spielen und die Rechte hinter sich scharen. Sogar Mike Pence, der Vizepräsident, den der Trump-Mob hängen wollte, äußerte „deep concern“ und kritisierte das FBI.

Das ist insofern verrückt, als Joe Bidens Anti-Inflationspaket, auch Klima- oder Sozialpaket genannt, das Zeug hätte, den Wind vor den Midterm-Elections in knapp drei Monaten vielleicht doch noch zu drehen. Der bekannte Umfragespezialist Nate Silver berichtete, in den letzten drei Monaten hätten sich die Chance der Demokraten, die Mehrheit im Kongress doch nicht zu verlieren, von 13 auch 20 Prozent verbessert, mit klarem Trend nach oben (gewählt wird ein Drittel des Senats und der ganze Kongress, dazu Gouverneure und viele Regionalparlamente).

Noch immer nicht sehr wahrscheinlich, sagt Silver, aber wahrscheinlicher als vor ein paar Wochen. Der Trend spräche, wenn sie nicht die üblichen Fehler machen, sage ich, immerhin für sie. Der Konflikt mit China, die frauenmobilisierenden Folgen der Aufhebung des Roe-vs-Wade-Urteils durch das Höchstgericht und eine sich bessernde wirtschaftliche Lage könnten die Niederlage der Demokraten zumindest in Grenzen halten. Joe Biden ist unbeliebt wie eh und je. Friede sei mit ihm.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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