Omikron: Zeit für Optimismus. Aber nicht für Zynismus! Was wir über Immunität wissen und nicht wissen.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 652

Armin Thurnher
am 14.02.2022

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

In diesem Beitrag führt uns Epidemiologe Robert Zangerle durch die Erkenntnisse, welche die Wissenschaft durch das Corona-Virus gewonnen hat. Wie geht Infektion vor sich, wie funktioniert die Immunantwort des Körpers? Es sind eine ganze Menge neuer Einsichten, die zu viel medizinischem Fortschritt führen können. Andererseits bleiben noch viele Rätsel. Anlass zum Optimismus, und zugleich Grund zu anhaltender Vorsicht. A. T.

 »In der Spätphase der Pandemie werden die Debatten und Meinungen nicht klüger, wie leicht zu bemerken ist. Mehr Gereiztheit, mehr Revisionismus, mehr Hetze. Vermutlich steckt ein einfacher ökonomischer Grund hinter dieser Entwicklung: Covid scheint jetzt weniger gefährlich zu sein, also ist es jetzt weniger kostspielig, sich zu irren. Diese Tendenz weg von vernünftigen, irgendwo wissenschaftlich fundierten Ansichten ist teilweise konsequent, da die Entscheidung über das Ende der Pandemie und der Maßnahmen jetzt mehr von der öffentlichen Meinung und Stimmung bestimmt wird, und weniger von der wissenschaftlichen Evidenz.

Die Ironie dabei ist, dass die Wissenschaft die Gesellschaft erst in eine Position gebracht hat, wo maßgebende Teile der Gesellschaft den Standpunkt vertreten, ohne Wissenschaft auskommen zu können. Da mögen Lippenbekenntnisse noch so oft das Gegenteil betonen. Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer etwa plädiert angesichts der milden Omikron-Variante für ein Überdenken, ob Impfpflicht nötig ist. „Die Impfung ist ein Werkzeugkoffer. Wenn das Gebrechen nicht da ist, muss man ihn nicht öffnen“, sagt Haslauer. Diese „Milde“ ist das Produkt von bisher durchgemachten Infektionen (Deltawelle in Salzburg!) und von Impfungen, und nur zum kleineren Teil Ergebnis der weniger krankmachenden Omikron-Variante, die den ursprünglichen Varianten entspricht. Schon eine sehr zynische Position des Landeshauptmanns Haslauer.

Ach, die Impfpflicht. Am 22. November kurz nach dem Treffen der Landeshautleute am Achensee, stand hier: „Aber jetzt gibt es den Joker der Impfpflicht. Wenn der Staat sich nicht mehr zu helfen weiß, greift er zum Komplizierteren. Von mir aus. Ich persönlich habe die Impfpflicht in Italien für insgesamt 10 Infektionskrankheiten bei Kindern immer unterstützt und durchaus für nachahmenswert gehalten. Nicht geimpfte Kinder dürfen nicht in den Kindergarten, aber in die Schule, und die Eltern zahlen Bußgelder, beginnend mit etwa 120 Euro, steigert sich bei anhaltender Nicht-Impfung der Kinder bis zur Höhe von 500 Euro. Es gab im Juli 2021 eine eigene Seuchenkolumne zur Impfpflicht, in der eine Impfung gegen Covid als Berufserfordernis für Gesundheitsberufe gefordert wurde. Später auch für andere Berufe, z.B. Lehrer. Die Schwierigkeiten einer allgemeinen Impfpflicht versuchte ich anhand einer 98-Jährigen Frau aus Wien zu erläutern. Es dauerte Monate, bis sie endlich die Impfung von Janssen erhielten. Erst Monate nach der Erkenntnis, dass EINE Impfung zu wenig ist, wurde, nachgeimpft‘. Schon klar, wer da die Impflicht verletzt hat. Und diese Leute sollen jetzt die Strafe eintreiben? Als ich mich bei einem Freund aus Italien über den Stand der dortigen Impfpflicht erkundigte, wollte er sofort wissen, ab welchem Alter‘. Ausgerechnet Österreich traut sich nun als einziges westeuropäisches Land über so schweres Terrain. Hoffen wir, dass es gelingt. Helfen können wir nicht, es ist tatsächlich Angelegenheit des Staates“. Dem ist nichts hinzuzufügen, eine höhere Durchimpfung ist unverändert ein zentrales Anliegen, wenn die zukünftigen Folgen der Pandemie nicht wurscht sein sollen.

Bei derartig geführten Diskussionen scheint verloren zu gehen, was die Omikron-Welle über die menschliche Immunität verrät. Tatsächlich stellt Omikron für die Immunologie nicht nur spannende Fragen, sondern gibt auch Rätsel auf. Impfstoffe, die um das ursprüngliche SARS-CoV-2 herum entwickelt wurden, seien es Vektorimpfstoffe von AstraZeneca oder Janssen oder Botenimpfstoffe (mRNA) bieten nach zwei Gaben keinen großen Schutz vor einer Infektion mit Symptomen durch die Omikron Variante, selbst wenn sie das Risiko einer Krankenhauseinweisung oder des Versterbens immer noch verringern. Aber auch der Schutz vor Hospitalisation durch zwei Dosen eines Boten-RNA-Impfstoffs sinkt 6 Monate nach der zweiten Dosis auf weniger als 40%. Eine dritte Impfdosis jedoch scheint zu helfen, und zwar sowohl beim Schutz vor symptomatischen Infektionen, wie auch bei dem vor Hospitalisation.

Das ist doch sehr spannend, und auch ein wenig überraschend, dass eine dritte Impfung mit einem Impfstoff, der auf dem Hüllprotein (Spike) des ursprünglichen Virus basiert gegen diese Variante doch eindrucksvoll wirkt, trotz der mehr als 30 Mutationen im Spike. Die ganze Welt schaut und vertraut diesen Daten der englischen Gesundheitsbehörden (ein Dank ist mehr als überfällig!) und nicht wenige auf der Welt schmeißen mit diesen Zahlen um sich, als wären sie in Stein gemeißelt. Vermutlich ist das „wishful thinking“. Derweil merken die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ganz explizit zu diesen Zahlen an, dass Unsicherheiten sie als „Medium Confidence“ (Symptomatic disease) oder gar „Low Confidence“ (hospitalisations) charakterisieren (siehe Tabelle oben).

Die angegebenen Zahlen in der obigen Tabelle, z.B. bei Schutz vor Hospitalisation in den 3 Monaten nach der 3. Impfung beziehen sich auf Berechnungen, die alle Impfstoffe zusammen kombinieren. Höchste Impfwirksamkeiten werden für die 3. Impfung mit dem Impfstoff von Moderna gesehen, allerdings ist die Beobachtungszeit hier noch sehr kurz und die Zahl der studierten Fälle klein, sodass die Fehlerbalken (95%-Unsicherheitsintervalle) – strichlinierte Linie – größer ist als bei dem häufiger verwendeten Impfstoff von Pfizer-BioNTech.

So völlig überraschend ist jedoch diese eindrucksvolle Wirkungssteigerung durch 3. Impfung aber wieder auch nicht. Einige Infektionen und Impfungen bewirken einen lebenslangen Schutz (Masern, Gelbfieber), bei anderen ist die Reaktion jedoch bescheiden und erfordert regelmäßige Erinnerungen in Form von Auffrischungsimpfungen (FrühsommerMeningoenzephalitis (FSME) – „Zeckenimpfung“) oder neuen, neu formulierten Impfstoffen (Grippe). Die Fähigkeit des menschlichen Immunsystems, sich an vergangene Infektionen oder Impfungen zu erinnern, ist eines seiner Markenzeichen. Covid und die Impfungen sind eine unglaubliche Gelegenheit, menschliche Immunantworten in Echtzeit zu beobachten. Sie erlauben es, die Feinheiten dieses komplexen und entscheidenden biologischen Phänomens zu erforschen. Wir werden gerade Zeuge des Anfangs einer Entdeckungswelle, die nicht nur für die Bekämpfung von Covid von entscheidender Bedeutung sein wird, sondern auch für das Verständnis einiger der grundlegendsten Merkmale des Immungedächtnisses.

Das Immunsystem tritt kurz nach dem Eindringen eines Krankheitserregers in den Körper in Aktion. Aber es kann mehrere Tage dauern, bis die spezialisierten B-Zellen und T-Zellen, die Erreger angreifen, funktionsfähig werden. B-Zellen gehören zu den Ersthelfern, die sich während einer ersten Exposition gegenüber einem Krankheitserreger teilen und aktiviert werden, das heißt sich zu kurzlebigen Plasmazellen differenzieren (Grafik oberster Teil), die Antikörper produzieren. Antikörper können verdächtige Eindringlinge zur Vernichtung kennzeichnen, und einige können sich an einen Teil eines Krankheitserregers binden, der ihn vollständig daran hindert, Zellen zu infizieren. Das sind die „neutralisierenden“ Antikörper, die als einzige in der Lage sein können, eine „sterilisierende Immunität“ zu verleihen, es verbleiben dann also keine Krankheitserreger mehr im Körper. Was einem vollständigen Schutz vor Infektion entspräche.

Schon im Herbst 2020 gab es Berichte über abfallende Spiegel von neutralisierenden Antikörpern bei Menschen, die sich von Covid erholt hatten. Dass Antikörper nach einer Infektion schwinden, ist seit Ewigkeiten bekannt, entscheidend ist, ob der Körper langlebige B-Zellen bildet, die den Erreger bei einem erneuten Auftreten schnell angreifen können. Diese Zellen entwickeln sich typischerweise innerhalb von sogenannten Keimzentren (Germinal Centres in der Grafik), die während einer Infektion in den Lymphknoten entstehen und als eine Art B-Zell-Trainingslager dienen. Dort vermehren sich die Zellen und erwerben Mutationen, die allesamt ihre Bindungsfähigkeit an den Krankheitserreger verändern. Nur diejenigen aus diesem B-Zell-Gemisch, welche die besten Antikörper produzieren, die sich am sichersten an der Oberfläche des Virus festsetzen, überleben. Ein „survival of the fittest“ in den Lymphknoten.

Innerhalb etwa eines Monats werden einige der Zellen, die diese „gereiften“ Antikörper produzieren, zu Gedächtnis-B-Zellen (Memory B cells), die im Blut zirkulieren. Sie produzieren keine Antikörper, aber wenn sie auf das Virus oder seine Proteine ​​treffen, können sie sich schnell teilen, zu Keimzentrenzellen oder langlebigen Plasmazellen werden, die sich hauptsächlich im Knochenmark befinden und einen kleinen, aber stetigen Strom hochwertiger Antikörper absondern.

Ein Abfall der Antikörperspiegel nach einer Infektion ist also normal. Bei Covid fällt der Antikörperspiegel in den ersten zwei oder drei Monaten nach der Infektion relativ schnell ab, aber nach etwa vier Monaten verflacht die Kurve. Es werden also bei erneutem Kontakt mit dem Virus genügend B-Gedächtniszellen für Nachschub sorgen. Ob die Antikörperspiegel auch nach einer Impfung ein ähnliches Plateau erreichen, wie nach einer natürlichen Infektion, ist noch nicht ganz klar. Die wirksamsten Impfstoffe verwenden das virale Hüllprotein (Spike), um eine Reaktion hervorzurufen, während bei einer SARS-CoV-2-Infektion das Immunsystem das ganze Virus sieht. Frühe Arbeiten konnten zeigen, dass sechs Monate nach der 2. Impfung zwar der Abfall der Antikörper ausgeprägt war, aber die Zahl der spezifischen B-Gedächtniszellen nach dieser Zeit erst den höchsten Wert erreichte. Bei Virusvarianten findet man aber Veränderungen, so korrelierten Durchbruchsinfektionen bei der Virusvariante Delta nicht nur mit einem Abfall an neutralisierenden Antikörpern, sondern auch mit dem Abfall der Zahl der Gedächtnis-B-Zellen (Memory B cells)  .

Die Frage „Schutz vor Infektion“ ist schwer bis kaum präzise zu beantworten, weil große Bevölkerungsgruppen, also auch völlig symptomlose Menschen, systematisch, oft und wiederholt PCR getestet werden müssten. Das ist logistisch extrem schwierig, wenn nicht unmöglich, deshalb werden solche Studien typischerweise bei medizinischem Personal  oder Heimbewohnern und sehr selten bei der Allgemeinbevölkerung durchgeführt, weil deren regelmäßige Testung leichter zu organisieren ist. Im Allgemeinen liegen die Berechnungen für den Schutz vor Infektion ähnlich oder etwas niedriger als die Schätzungen zur Wirksamkeit von Impfstoffen gegen Schutz vor Infektion mit Symptomen. Der Schutz vor Infektion durch Impfungen vor der Omikron Variante konnte bisher aufgrund der kurzen Beobachtungszeit in England noch nicht direkt berechnet werden, aber in einer großen dänischen Haushaltsstudie konnte gezeigt werden, dass insbesondere Menschen mit einer 3. Impfung nicht nur seltener infiziert werden, sondern dass solche Personen SARS-CoV-2 auch seltener weitergeben. Diese Kombination ist epidemiologisch bedeutsam. Darf hier neuerlich darauf verwiesen werden, dass gut sitzende Masken von hoher Qualität (FFP2 oder höher) hervorragend vor der Omikron Variante schützen?

Sicher, Impfungen verlieren im Laufe der Zeit ihre Fähigkeit, Infektionen in Schach zu halten. Aber Impfstoffe haben ihre Fähigkeit behalten, schwere Krankheiten zu verhindern. Das Immungedächtnis hängt auch wesentlich von den T-Zellen ab. Bei Kontakt mit einem Antigen vermehren sich diese zu einem Pool von Effektor Zellen, die die Infektion beseitigen: Killer-T-Zellen teilen sich schnell, um infizierte Zellen (samt dem Virus) zu töten, und verschiedene Arten von Helfer-T-Zellen sezernieren chemische Signale, die andere Teile des Immunsystems, einschließlich B-Zellen, stimulieren. Antikörper gegen Proteine (also Virusbestandteile, wie das Spike Protein) kann es ohne die Hilfe der T-Zellen gar nicht geben. Nachdem die Bedrohung vorüber ist, bleiben einige dieser Zellen als langlebige Gedächtnis-T-Zellen bestehen (siehe „T-Zell-Gedächtnis“).

T-Gedächtniszellen („Effector memory T cells“) können Infektionen normalerweise nicht so schnell und unmittelbar blockieren, wie es neutralisierende Antikörper können. Neutralisierende Antikörper „sind da“, im Blut und idealerweise auch in den Schleimhäuten; sie heften sich an das Spike Protein des Virus und verhindern, dass es in eine Atemwegszelle eindringt, sie infiziert. Die Effektor Memory T-Zellen hingegen arbeiten wie im obigen Absatz beschrieben. Bei Covid erfolgt die Infektion schnell, bei Omikron vermutlich noch schneller, aber es dauert eine Weile, bis es zu einer ernsthaften Erkrankung kommt. Das gibt den Gedächtnis-T-Zellen etwas Zeit, um „volle Truppenstärke“ zu erreichen. Wenn sie einem Virus ausgesetzt werden, vermehren sich diese Zellen wie verrückt. In einem Zeitraum von 24 Stunden kann die Anzahl der Gedächtnis-T-Zellen verzehnfacht werden. Das ist vermutlich nicht schnell genug, um das Krankwerden massiv zu beeinflussen, aber doch schnell genug, um einen schweren Verlauf zu verhindern.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der T-Zell-Antwort: Es ist viel schwieriger für das Virus, einen Weg um diese T-Zell-Antwort herum zu finden. Das liegt daran, dass T-Zellen in einem Individuum andere Teile des Virus erkennen als T-Zellen in einem anderen Individuum. Ein Virus könnte also mutieren, um der T-Zell-Antwort einer Person zu entkommen, aber nicht der einer anderen. „Flucht ist auf Bevölkerungsebene bedeutungslos“, sagt Shane Crotty, ein sehr bedeutender T-Zell-Immunologe aus San Diego . Außerdem können T-Zellen kleine Teile des Virus (oder des Spike-Proteins) sehen, die Antikörper nicht sehen können, einschließlich jener Teile, die weniger wahrscheinlich mutieren.

Mehrere Studien haben ergeben, dass Menschen, die mit SARS-CoV-2 geimpft oder infiziert worden waren, trotz der großen Anzahl von Mutationen ungefähr die gleiche T-Zell-Antwort auf Omikron zeigten wie auf die Delta-Variante oder frühere Varianten. Darauf deuten auch Beobachtungen zur Verbreitung von Omikron hin. Die T-Zell-Antwort trägt möglicherweise auch dazu bei, das als „Entkopplung“ bekannte (aber oft überstrapazierte) Phänomen voranzutreiben. In Gebieten mit höherer Immunität aufgrund von Impfungen und früherer Infektionen ist die Zahl der Fälle von Omikron schnell, aber die Zahl der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle viel langsamer gestiegen.

Nach einer durchgemachten Infektion bleiben die Gedächtnis-T-Zellen für mehr als ein Jahr erhalten, die Halbwertszeit sowohl der CD4+ (Helferzellen) und CD8+ (Killerzellen) spezifischen Zellen beträgt 200 Tage. Sie stellen im Ruhezustand typischerweise etwa 0,5 % und 0,2 % aller Gedächtnis-T Zellen. Die Breite der Immunantwort durch T Zellen zielt auf mindestens 19 (bei CD4+) und 17 (bei CD8+) Epitope des SARS-CoV-2 Virus ab. Eine effektive klinische Kontrolle der primären Infektion ist mit adaptiven B- und T-Zellantworten und einer frühen und robustem Interferon Antwort assoziiert, welche die Viruslast effektiv kontrollieren kann. Eine verspätete, unzureichende und verlängerte Interferon-Antwort scheint mit verlangsamter und erhöhter Zellaktivierung, mit früher Entzündung und einem schlechteren klinischen Befinden verbunden zu sein.

Marc Brupbacher, Leiter des Ressorts Storytelling bei der Mediengruppe Tamedia, fragte, wieso auch Geimpfte eine „etwas ruppige“ Infektion haben können . Manuel Battegay, Infektiologe der Universität Basel, griff das auf und versuchte eine Antwort, die hier umrissartig wiedergegeben wird:

  1. Die Impfung/Booster schützt in mindestens 50% nicht vor Infektion.

  2. Die Impfung beschleunigt die Viruselimination aus dem Körper

Die Interaktion Virus-Mensch hat eine sehr große Variation und spielt dabei die entscheidende Rolle. Diese setzt sich aus vielen Faktoren zusammen: u.a. neutralisierende Antikörper, T-Zellen, die Interferonantwort. Es ist plausibel anzunehmen, dass die Immunantwort bei nicht mildem Verlauf, ob sie nun stark oder schwach ist, zu spät einsetzt. Deshalb werden viel mehr Zellen der Atemwege und der Lunge mit SARS-CoV-2 infiziert. Wenn dann die T-Zellen virusinfizierte Zellen killen, entsteht Immunpathologie – manifest in Patienten als Beschwerden. Bei schwerer Krankheit ist die Folge der zu späten Antwort bereits eine starke Ausbreitung des Virus in viele Organe mit den Folgen einer späteren schädigenden Virus-Wirt-Interaktion. Eine „stärkere“ Immunantwort, in Form von stärkerer Bildung von Autoantikörpern, neben einer stärkeren Vermehrung von Virus, wird auch bei postakuten Folgen (Post acute sequelae of SARS-CoV-2 infection PASC oder Long Covid) gefunden.

Obwohl Omikron dieser Immunität ausweichen kann, so scheint die „magische Zahl“ drei erforderlich zu sein, um das zu verhindern. Wenn das Immunsystem dreimal das Spike Protein gesehen hat, kann es qualitativ hochwertige Antikörper ausbilden. Das kann durch drei Impfungen erreicht werden, oder durch zwei Impfungen plus eine natürliche Infektion. Wichtig: eine Durchbruchsinfektion muss auch da anerkannt werden. Die Arbeit zeigt auch: das Immunsystem braucht Zeit, um qualitativ hochwertige Antikörper auszubilden, die eine starke Bindung zeigen. Und eine starke Bindung der Antikörper an das Spike Protein ist mindestens genauso wichtig wie einfach nur „viele Antikörper“, d.h. ein hoher Antikörper-Titer. Es gibt also noch viel zu lernen. Aufbauend auf dem immunologischen „Lehrbuchwissen“ lässt das bisher Gelernte (und das ist viel!) es naheliegend erscheinen, dass wir mehr und mehr an einen Punkt gelangen, an dem fast jeder eine gewisse Immunität hat – entweder durch Impfung oder Infektion. Das reduziert die Krankheitslast, die das Virus verursachen kann. Bei den allermeisten Geimpften (also mit 3. Impfung und bei abwehrgeschwächten 4. Dosis) wird die Immunantwort optimal verstärkt. Auch wenn es zur Infektion kommt, kommt es weder zu ruppigem noch schwerem Verlauf, aber eben nicht immer.

Zum Abschluss ein kurzer Themenwechsel: In großen Geschäften ist die Belüftung so ausgelegt, dass immer ein gleichmäßiger und gerichteter Luftstrom vorhanden ist. Das Ansteckungsrisiko geht also viel eher von den Personen aus, die gleichzeitig im Geschäft sind und ist sehr gering, wenn alle Masken tragen, weshalb die Aufhebung der 2G Regel im Handel schon vor längerer Zeit vorgenommen hätte werden können _ bei beibehaltener FFP2 Maskenpflicht allerdings. Wie man sich vor der Übertragung von SARS-CoV-2 durch Aerosole am besten schützt? Gastronomie? Schule? Eigentlich läge es nahe, sich da an Japan zu orientieren. Wenn Sie Google Maps in Japan mit den Suchbegriffen „CO2-Konzentrations-Monitor für Restaurants“ aufrufen, können Sie Ihr Restaurant basierend auf der Verfügbarkeit von Echtzeit-CO2-Monitorwerten für Innenräume auswählen. Die Auswahl ist riesig.

Für alle, die sich in Österreich für eine Verbesserung von Raumluft einsetzen, ein Tipp (Spoiler: keine Eieruhr statt CO2 Messgeräten). Nehmen Sie sich die Hartnäckigkeit einer Lindsey Jacobellis zum Vorbild. Sie war im Snowboard-Cross-Finale der Olympischen Spiele von 2006 auf dem Weg zu Gold, stürzte beim vorletzten Sprung, schaffte aber noch Silber. 2010 und 2014 schied sie durch Sturz im Semifinale jeweils aus, 2018 wurde sie mit drei Hundertstelsekunden Rückstand Vierte, aber 2022 holte sie die Goldmedaille. Johannes Strolz würde auch als Vorbild taugen. Net lugg lo.« R. Z.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Weitere Ausgaben:
Alle Ausgaben der Seuchenkolumne finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!