Der kluge Kater beschwert sich über meine Berichterstattung

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 461

Armin Thurnher
am 06.07.2021

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Kater: Da hast du gestern aber was angerichtet.

Ich: Freust du dich gar nicht?

Kater: Wie, ich soll mich freuen, wenn du mich verarschst?

Ich: Bitte? Die Menschen lieben dich, nennen dich sogar ein „Teufelskatzerl“, wünschen dir ein langes Leben undsoweiter. Was stört dich da?

Kater: Erstens hättest du mich ruhig was zum Neoliberalismus fragen können. Ich habe David Harvey gelesen, und Nancy Fraser, die hätte ich denen um die Ohren gehauen.

Ich: Einen Marxisten und eine Sozialistin? Die lachen dich doch aus! Darum geht es doch gar nicht. Es geht nur darum, en passant fallenzulassen, dass es so etwas wie Neoliberalismus überhaupt nicht gibt, und dass Umverteilung nach oben bloß nur eine Einbildung ist und Kapitalisten allesamt Philanthropen sind. In Wirklichkeit nimmt der Wohlstand der Welt zu, und damit haben sie sogar Recht.

Kater: Das glaubst du nicht im Ernst? Der Wohlstand nimmt in Summe zu, aber ebenso die Ungerechtigkeit seiner Verteilung. Die Mittelklassen gewinnen global, aber Armut wächst, das obere Eine Prozent hebt ab, und die Managerkaste wird immer frecher …

Ich: Kater, das geht diesen Leuten hinten vorbei. Denen geht es doch nur darum, die neoliberale Ideologie als harmlos zu kennzeichnen, was sie erreichen, indem sie unauffällig akademische oder quasi akademische Positionen eine nach der anderen besetzen.

Kater: Ach, du und deine Hegemonietheorien. Ich wäre da nicht so zimperlich. Diese Hayekleute können doch nach Reagan, Thatcher und vor allem Pinochet ihr wahres Gesicht nicht mehr verbergen.

Ich: Das ist da das Erstaunliche! Leute, die darauf hinweisen, werden als illiberale Ahnungslose hingestellt. Haltet den Dieb, rufen die Boten der Diebe. Das ist schon beeindruckend.

Kater: Wie du meinst, aber deine Bewunderung dieser ideologischen Schlaucherln wird dich hoffentlich nicht davon abhalten, die kritische Auseinandersetzung zu suchen, wie man so sagt.

Ich: Nein. Allerdings halte ich den Begriff „ideologische Schlaucherln“ für die erfolgreichste Propagandaoffensive seit Jesus Christus für unzulässig verharmlosend.

Kater: Immer auf der Jagd nach Wörtern, während die Tatbestände an dir vorbeisausen.

Ich: Und du auf Bachstelzensushi spitzst.

Kater: Das war ein Untergriff. Du hast beim Gegner das Handwerk des Ablenkens schon ganz gut gelernt. Bin von dir nichts Besseres gewöhnt. Aber ich wollte mit dir über dein gestriges Kolümnchen reden.

Ich: Du meinst, meine gestrige Eloge.

Kater: Eloge? Das habe ich eher als Sottise wahrgenommen. Mich als zahnlosen Idioten hinzustellen, das griff in meinen Intimbereich ein. Sie haben dir Mails geschrieben, und dich gefragt, was du mir jetzt fütterst, Brei oder was. Wie schau ich da aus?

Ich: Was kann ich für die Mails, die ich bekomme?

Kater: Das ist auch so einer von euren Tricks. Ihr seid für alles verantwortlich, was ihr bekommt! Leute, die immer so unschuldig über von ihnen selbstverursachtes Unheil tun, gehen mir speziell auf die Nerven. Erst mehr oder weniger subtil provozieren , und wenn’s funktioniert, Zeter und Mordio schreien.

Ich: Eine schöne Redewendung, woher hast du die?

Kater: Du nimmst mich noch immer nicht ernst. Erzähle Ihnen lieber, was dir die nette Tierärztin geantwortet hat, als du sie nach den Folgen meiner Entzahnung gefragt hast.

Ich: Bittesehr. Ich fragte: Wird er noch Mäuse fangen können? Sie antwortete: Die fangen Sie eh mit den Pfoten.

Kater: Vielleicht kannst du den Leuten auch sagen, dass sie mir nicht alle Zähne gezogen hat. Meine furchterregenden Eckzähne habe ich noch, zum Beispiel. Da gibt es Bilddokumente. Ich ersuche dich, diese zu zeigen.

Ich: Ah, der Herr werden förmlich. Aber bitte, mache ich doch gern.

 

Kater: Und sag ihnen, dass ich das gleiche Futter zu mir nehme wir vorher. Ich bin zwar 17, aber kein Mümmelgreis.

Ich: Das stimmt, aber dein Dosenfutter ist zerkleinert.

Kater: Gib mir eine Bachstelze, und du wirst schon sehen, was los ist.

Ich: Lieber nicht! Ich gebe gern zu, dass du frisst du wie eh und je. Hast mehr als eineinhalb Kilo zugenommen.

Kater: Jetzt bekommen die Leute wieder den Eindruck, ich sei dick. Das ist Bodyshaming! Wie hat mich die freundliche Ärztin genannt? Sag es!

Ich: Kernig. Sie sagte, du hast zugenommen, seist aber kernig.

Kater: Die Tierärztin ist mir nicht unangenehm, muss ich sagen.

Ich: Dafür, dass sie dir nicht unangenehm ist, führst du dich ganz schön auf, wenn ich dich hinbringe.

Kater: Lass du dich in einen engen Käfig einsperren und herumtragen.

Ich: Es ist kein Käfig, sondern eine Stofftasche. Und die hast du auch schon aufgekriegt, im Auto schaute auf einmal der Katerkopf heraus.

Kater: Ich bestehe auf meiner Freiheit, obwohl du glaubst, dass ich von dir abhängig bin.

Ich: Das mit der Freiheit lassen wir jetzt lieber, heute hatten wir schon genug Liberalismusstreit.

Kater: Du könntest mich leicht versöhnen.

Ich: Fisch oder Pute?


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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