Alles über Corona-Tests. Bei Tests an Schulen schaut es überraschend gut aus

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 329

Armin Thurnher
am 08.02.2021

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Heute handelt Epidemiologe Robert Zangerle verschiedene Testmethoden ab. Wie genau sind die einzelnen Methoden, was bedeutet Pooling, und warum sind dabei die Aussichten für Schulen und – wenn man will – auch für Heime gar nicht so schlecht?  A. T.

»Mein Nicht-Tiroler Umfeld sorgte sich zuletzt um mein Befinden. Angebote für Care Pakete und für Fluchthilfe habe ich bisher mutig abgelehnt. Obwohl ich zugestehen muss, dass mir doch zunehmend bange wurde, angesichts der Mistgabel-Drohungen des bildungsfernen Teils der Tiroler Oberschicht. Gleichzeitig wurde einem diese Angst durch ungewollte Komik auch wieder genommen. Also alles halb so wild. Letztlich ein beinharter Wettbewerb um die letzten Schauspieljobs bei der neuen Folge der Piefkesaga. Zur Piefkesaga gehören wahrscheinlich auch sonderbare Tauschgeschäfte, wie Impfung gegen Isolation.

 Testen: das richtige Wann, Wo und Wie?Da bleibt einem glatt die Spucke weg

Schwierig ist die Beurteilung der Rolle der Antigentestung bei Fehlen von Symptomen. Das Problem dabei, man weiß nicht, ob man in der Frühphase der Infektion testet, also, ob man den Test zur richtigen Zeit anwendet. Deshalb ist es so wichtig (auch wenn wir es nicht mehr hören können), klar dazuzusagen, dass Ergebnisse von Antigentestungen immer nur Momentaufnahmen sind. Wenn man vor dem Einlass in das Pflegeheim getestet wird, kann man reingehen (Vorsicht: AHA gilt immer!). Aber daraus darf man nicht ableiten: morgen auch. Solange man dieses Fenster also kurzhält, ist es auch kein Problem, wenn man Asymptomatische testet.“ So stand es hier und es gilt immer noch unverändert!.

Aber es fehlte die Angabe des Prozentsatzes falsch negativer Befunde bei Symptomlosen, dieser Wert („Sensitivität“) wurde nicht explizit angegeben. Wie auch, zum damaligen Zeitpunkt musste man sich auf die Angabe der Sensitivität bei der Diagnose von Personen mit Symptomen stützen, und der entsprechende Wert dafür war bei einigen Tests durchaus hervorragend, nämlich über 90%. Der beste Zeitpunkt für einen Antigentest sind demnach die ersten fünf Tage nach Symptombeginn. Wenn man also wissen will, ob gerade aufgetretene Symptome durch eine Covid19 Erkrankung verursacht werden, dann ist ein Antigentest sehr nützlich, weil er sehr schnell eine Antwort geben kann.

Damals, Mitte Dezember jedoch wussten wir noch nicht so genau, wie sicher eine Infektion bei Symptomlosen erfasst werden kann (möglichst keine falsch Negativen). Erst nach und nach trafen für diesen Testgrund Werte ein. Diese Rate der falsch Negativen ist nämlich beträchtlich und beläuft sich auf typischerweise 50%. Bei Haushaltskontakten, die im Mittel 2 Tage nach der Diagnose des Indexfalles, mit PCR positiv getestet wurden, fand man in 48,1% auch einen positiven Antigentest. Nicht-Haushaltskontakte, die im Mittel 6 Tage nach Exposition getestet wurden, mit einer positiven PCR, zeigten gleichzeitig in nur 35,7% einen positiven Antigentest. Die Grafik zeigt positive PCR Befunde bei Symptomlosen anhand von Ct (Cycle thresholds) Werten mit negativen (links) oder positiven (rechts) Antigentests.

Die PCR positiven, aber Antigen („RAD-“ in der Abbildung) negativen Proben hatten im Vergleich zu Proben die bei beiden Tests positiv waren, eine deutlich geringere Viruslast. Der Ct-Wert als Marker für Viruslast war bei der Hälfte dieser Proben deutlich unter 30. Ein nahezu identes Ergebnis wurde in einer Studie an einer amerikanischen Universität bei symptomlosen Studenten gefunden. Wenn man sich die Virusdynamik nach Exposition und Infektion veranschaulicht, so fällt die Nachweisgrenze für den Antigentest in einen Bereich unmittelbar vor Symptombeginn bis 5 Tage danach (also etwa Tag 5-10), während SARS-CoV-2 via PCR mindestens einen Tag vorher nachweisbar wird, und zwar in einer Virusmenge, die ansteckend ist. Es ist also nicht einfach so, dass der Antigentest „die Infektiösen“ vollständig identifiziert. Der Antigentest liefert deshalb das Ergebnis einer eingeschränkten Momentaufnahme. Ganz unabhängig davon, ob wir das Ergebnis 24 Stunden lang oder gar mehr als gültig ansehen.

Etwas irritiert durch die geringe Sensitivität, die wohl im Alltag noch niedriger sein wird, habe ich mir bei drei Szenarien den positiven und negativen Wert der Vorhersagbarkeit (positive and negative predictive value) grafisch, anhand der erhobenen Sensitivitäten und Spezifitäten, dargestellt. Beim Screening besteht im Prinzip eine niedrige Prätestwahrscheinlichkeit, also die Wahrscheinlichkeit, dass die Probe bzw. der/die Getestete positiv ist (kleiner 0,5%, oranger Pfeil), sodass das negative Ergebnis mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (deutlich kleiner als 1%) stimmt, während das positive Ergebnis mit PCR bestätigt werden muss. Bei Personen mit hoher Prätestwahrscheinlichkeit (grüner Pfeil), typisch bei Vorliegen von typischen Symptomen, stimmt das positive Ergebnis eines Antigentests mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, während eine negative

PCR in dieser Situation (rechtes Bild) eine Wiederholung der PCR nahelegt. Richtig problematisch ist der Antigentest beim Contact Tracing (violetter Pfeil), hier ist beim Antigentest weder der positive noch der negative prädiktive Wert zufriedenstellend, weshalb hier ausschließlich die PCR zur Anwendung kommen soll. Irgendwie hat sich aber bei manchen Bezirksverwaltungsbehörden (wo überall?) die Praxis eingeschlichen, dafür auch den Antigentest zu verwenden, sodass vor einigen Tagen Gebi Mair, Klubobmann der Grünen im Landtag, verkündete, dass ab jetzt K1 und K2 PCR getestet werden. Ganz schön behäbig, dieses schöne Tirol.

Künftig sollen also alle Schüler/innen in der Schule einen Anterio-Nasal-Test („Nasenbohrtest“) machen. Geschultes Personal ist dafür nicht erforderlich. Und die Sensitivität? Nach intensivem Nachdenken über positive und prädiktive Werte bin ich inzwischen beruhigter. So lange die Prätestwahrscheinlichkeit klein ist/bleibt und der Test ordentlich durchgeführt wird (es gibt keinen besonderen Anlass, das nicht anzunehmen), kann ich dem Bildungsministerium beipflichten und sagen, dass das viel, viel besser als nichts ist. Eigentlich ganz gut, es gilt auch die Unmittelbarkeit des Testergebnisses zu beachten. Auch wenn man von dort auf die Frage: Was ist bei denen, die infiziert sind, wo der Test aber nicht angeschlagen hat, hört, dass sie dann eben in der darauffolgenden Woche erfasst werden. Das ist natürlich Unsinn. Ungeeignet ist der Antigentest bei einem Ausbruch in der Schule oder sehr hohem allgemeinen Infektionsgeschehen, dann wandert der orange Pfeil nach rechts, und die rot strichlierte Linie fällt ab). Kummer haben größere Volksschulen (es kommen ganze Klassen!) mit Testräumlichkeiten und Hygienevorschriften.

Hier geht es nicht darum, ob Präsenzunterricht derzeit richtig oder falsch ist, sondern, dass bei Präsenzunterricht ein gutes Überwachungskonzept notwendig ist, um Infektionen frühzeitig zu erkennen und um rasch darauf reagieren zu können. Neben dem Tragen von Masken und konsequentem Halten von Abstand sind es regelmäßige Tests, die den am Montag startenden Präsenzunterricht in Schulen dauerhaft ermöglichen sollen.

Das ist ein guter Ansatz, weil z.B. Ausbrüche in der Schule, selbst ohne Testung, oft begrenzt gehalten werden konnten. Apropos Masken: mein Cousin lebt in Singapur, sein 3-jähriger Sohn trägt Maske im Kindergarten, niemand sieht ein Problem.

Selbstverständlich ist das Bessere der Feind des Guten, und so gab es in Deutschland ein Gymnasium, welches schon im Frühjahr begonnen hat, zweimal wöchentlich Testungen mit PCR durchzuführen, hier und hier. Gerade startet in Deutschland die SCHOCO (Schul- Observation auf Corona) Initiative, die Schüler zweimal pro Woche mit PCR testen will. Die Pilotstudie dazu war sehr erfolgreich. Das bisher dafür verantwortliche Labor das die Institut für Virologie in Köln, Leiter: Florian Klein. Das Institut, das gerade eben mit der systematischen Erfassung der Virusvarianten B.1.1.7 (6%) und B.1.351 (3%) und der ersten Hochrechnung in Deutschland Exzellenz beweist.

Die Schüler lutschen bzw. kauen 30 Sekunden lang einzeln an handelsüblichen Abstrichtupfern und geben diese anschließend in einen speziellen verschließbaren Behälter. Derzeit maximal 18 Tupfer pro Behälter, die dann gepoolt werden (Kosten für 18 Proben 39 Euro). Für die Lehrer entsteht dabei nur eine geringe Mehrbelastung, insbesondere sind sie hierdurch keinem zusätzlichen Infektionsrisiko ausgesetzt. Die Behälter (1-2 pro Klasse) werden anschließend schulweise per Kurier in ein Labor gebracht und dort untersucht. Falls ein positiver Befund in einem Pool erhoben wird, erfolgt eine Benachrichtigung an die Schulleitung und das Gesundheitsamt. Alle weiteren Maßnahmen werden vom Gesundheitsamt veranlasst. Dazu gehört dann die individuelle Testung aller Schüler, die sich in dem positiven Pool befanden. Diese Vorgangsweise ist übrigens im Blutspendewesen üblich.

Es gibt mehre Arten von Speicheltests, alle zur Selbstabnahme, nicht nur den „Gurgeltest“:

  • Gurgeln

  • Wattebausch lutschen und kauen

  • Spucken

Gurgeltest läuft in Wien zwar groß an, von routinemäßigem Einsatz in Schulen oder Heimen ist nichts zu vernehmen. In der Schule läuft ab 8. März die Monitorung Studie zur Beurteilung über die Verbreitung der SARS-CoV-2 Infektion.

Speichel als Probenmaterial hat gegenüber Gurgeln ein paar Vorteile:

  • Gewinnung geht sogar bei Kleinkindern, nicht alle tun sich beim Gurgeln leicht

  • Beim Poolen („Zusammenschütten“) von Proben viel weniger Verlust an Empfindlichkeit als durch die Verdünnung beim Gurgeln

  • Keine oder kaum Kontaminationsgefahr, während es beim Gurgeln leicht zu einer Aerosolbildung kommen kann.

  • Es gibt praktisch keine Abnahmefehler, fast immer genügend Probenmaterial vorhanden.

Direkt mit Spucke arbeitet Alexandra Trkola, Leiterin des Virologie Institutes der Universität Zürich. Eine sehr große Studie ihrer Arbeitsgruppe wurde gerade zugänglich, klingt vielversprechend. Ein Auszug aus dem Flyer für die Gewinnung; hier nicht abgebildeter Buchstabe D wäre Verpackung und Versand, falls man es nicht im Labor abgeben kann.

 

MitarbeiterInnen von Wohn- und Pflegeheimen müssen laut Bundesverordnung vom 5. Februar alle drei Tage einen Test auf SARS-CoV-2 durchführen.

„Das Testen war bisher ein zeitlich irrsinnig hoher Aufwand und auch eine zusätzliche große Belastung für unsere Mitarbeiter, denn die Nasen-Rachen-Abstriche sind für viele sehr unangenehm, sagt der Obmann ARGE-Altenheime-Tirol Robert Kaufmann aus Tirol. Weil eine gute Testmethode und eine hohe Testfrequenz (täglich!) aber das Um und Auf für maximale Sicherheit sind, hat man sich in zwei Heimen für ein österreichweit einzigartiges Pilotprojekt entschieden. Dieses Pilotprojekt ist von Johannes Möst, Leiter eines mikrobiologischen Labors in Innsbruck, ausgegangen, der bereits seit dem Herbst 28 Angestellte seines Labors mit täglichen Speicheltests testet. Dabei werden bis zu 10 Proben gepoolt („zusammengeschüttet“). Seit Mitte Dezember läuft das Pilotprojekt mit zwei Pflegeheimen, 49 und 73 MitarbeiterInnen. „Ein Wattebausch — wie wir ihn vom Zahnarzt kennen — wird hierfür circa zwei Minuten lang in den Mund gesteckt. Der mit Speichel getränkte Bausch wird dann per PCR-Methode ausgewertet“, erklärt Johannes Möst. Seine Sicht zu den Heimen klingt für Leser der Seuchenkolumne vertraut: „Der Schutz der Heime hat bisher nur unzureichend funktioniert. Auch deshalb unser Pilotprojekt — und um etwas für das Personal in den Heimen zu tun, das unglaublich gefordert ist und sehr oft das Gefühl hat, nicht die Unterstützung zu bekommen, die notwendig und verdient wäre. Denn das Testen von Personal ist effizienter als das Testen der Heimbewohner.“

Letzteres bestätigt eine Studie der Caritas Wien gemeinsam mit dem Complexity Science Hub und anderen, die darüber hinaus auch die Schnelligkeit der Ergebnisse und sensitivere Tests als weitere unabhängige Größen sieht, wie die Situation in den Heimen verbessert werden kann.

Man ist damit so zufrieden, dass man bei dieser Art der Testung bleiben will. „Wir haben damit super Erfahrungen gemacht und auch die Mitarbeiter sind hochzufrieden. Sie können die Testabnahme selber machen und finden das alles sehr unkompliziert. Daher ist auch eine hohe Akzeptanz gegeben“, betont Robert Kaufmann. Obwohl das Mitte Dezember gestartete Projekt seit zwei Wochen zu Ende ist, „machen wir weiter mit den täglichen Speicheltests, auch wenn wir die Kosten im Moment selber dafür tragen.“ Künftig — hofft Kaufmann — könnte das Land Tirol hier finanziell einspringen und in allen Tiroler Heimen die Speicheltests möglich machen. Es ist aber leider völlig offen, ob das Land Tirol für dieses Projekt die Finanzierung für die wünschenswerte (eigentlich notwendige) Fortführung oder gar Ausweitung sichern kann, wie von den Heimen gewünscht. Manches weit überstrapazierte Hinhalten frustriert die Betroffenen, etwa Aussagen wie: „Grundsätzlich verfolgt das Land Tirol eine Teststrategie in den Heimen, die das Durchführen von Antigentests vorsieht. An dieser Teststrategie wird vorerst auch festgehalten.“ Also, worauf wartest Du noch, Land Tirol?

Die PCR Testung mit Speichel ist übrigens nicht teurer als der Antigentest, jedoch sensitiver und angenehmer. Wenn das keine „win-win Situation“ ist?« R. Z.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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