Lesekränzchen 4: „Du bist dran“ von Mieze Medusa (Residenz Verlag)

Das Lesekränzchen im FALTER-Buchclub ist ein Format, um gemeinsam Bücher zu lesen und zu besprechen. Durch die Kooperation mit Verlagen können wir in jedem Lesekränzchen einige Freiexemplare verlosen, die Leserunden stehen aber allen Mitgliedern des FALTER-Buchclubs offen. Hier veröffentlichen wir die besten Rezensionen der Mitlesenden. Viel Spaß beim Durchstöbern!

Rezensionen aus dem FALTER-Lesekränzchen

Mieze Medusa, die wohl bekannteste österreichische Poetry Slammerin, lässt uns in ihrem neuen Roman „Du bist dran“ an einer Zeit voller Veränderungen im Leben dreier Menschen teilhaben:

Die etwas übergewichtige Agnesa, 18, hat Migrationshintergrund und lebt mit ihrer Familie in einer viel zu kleinen Wohnung in Ottakring. Sie hat die Schule abgebrochen, hilft jetzt im griechischen Restaurant ihrer Familie aus und führt ein freudloses Leben, einzig erhellt von der Musik ihres großen Idols Beyoncé. Eher zufällig eröffnet sich ihr die Chance, als Hilfskraft auf einem Bauernhof mit Gästezimmern in Bruck an der Laa zu arbeiten, und dadurch ändert sich ihr Leben schlagartig.

Eduard, der Computer-Nerd, lebt ebenfalls in Ottakring. Er ist voller Selbstzweifel besonders beim Kontakt mit dem anderen Geschlecht und meidet den direkten Kontakt mit Menschen. Er hält sich lieber im Netz auf, wo er via Webcam in das Leben anderer Menschen einsteigt, und sogar den Gesundheitszustand seines Vaters überwacht er digital. „Ich schlafe einfach besser, wenn ich weiß, dass das Herz meines Vaters schlägt. Je mehr Daten durchs Internet schwirren, desto seltener muss ich anrufen.“ (S.50) Der kontaktscheue Eigenbrötler wird von der Autorin mit einem guten Schuss Selbstironie ausgestattet, die beim Lesen immer wieder zum Schmunzeln bringt, und entwickelt sich so vom vermeintlichen Freak zu einem liebenswerten Charakter.

Dazu kommt noch Felicitas, 69, die reifste Figur in diesem Dreigespann: Feministin der ersten Stunde, mittlerweile jedoch etwas ernüchtert und abgeklärt, eine geistreiche und rebellische Erzählerin. Die Autorin stattet sie mit einer leisen, feinen Ironie aus, ihre große Stärke dabei ist das Understatement. „Ich sitze im Theater und fühle mich wie Tantalos. Alles, was mich retten kann, ist außer Reichweite. […] Ich habe einen guten Blick auf die Bühne, auf der nichts passiert. / Zeitgenössisch, also. Zeitgenössisches Theater.“ (S. 247)

Diese drei Personen treffen in Bruck an der Laa aufeinander und – wie im Titel schon ersichtlich – sie alle sind jetzt dran, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Ganz nebenbei rührt die Autorin an große Themen wie Eltern-Kind-Beziehungen, Datenschutz im Netz, Frauenrechten, erste Liebe, letzte Liebe, Pflege von Angehörigen, u.v.m. Einige Passagen sind sehr berührend, doch gleitet der Roman nie ins Kitschige ab, denn Mieze Medusa wechselt mit großer Sicherheit zwischen gefühlvollen und scharfzüngigen Beobachtungen hin und her. So liegt in ihrem Schreiben zwar eine Ernsthaftigkeit, deren Schwere aber durch ihren Humor, der immer mit einem kleinen Augenzwinkern daherkommt, wieder aufgelöst wird.

Auch sprachlich ist der Roman wirklich ansprechend, liest sich flüssig und die Klarheit im Ausdruck beeindruckt – ein Erzählen ohne Firlefanz. Dazu blitzt in Mieze Medusas Prosa ihre Liebe zur Slam-Poetry auf. Kurze Sätze in rhythmischem Stakkato könnten, laut gelesen, auch zum Wortrap werden. „Wer will schon am Ende dastehen wir Prospero: Allein. Allen Zaubers entledigt. Mit keiner Kraft als der eigenen, und die ist wenig.“ (S. 252)

Fazit: Ein wirklich gelungener Roman, der unterhält, aber gleichzeitig zum Nachdenken anregt. Wer noch auf der Suche nach Sommerlektüre ist, sollte zugreifen!

(Rezension von Daniela O’Shea)

In dem Roman werden 3 Charaktere vorgestellt, die in ihrem eigenen Leben bisher keine Hauptdarsteller waren, einige Zeit vom Leser begleitet.

Agnesa, ein 18-jähriges Mädchen aus einer Großfamilie, kämpft mit fehlendem Selbstbewusstsein, möchte gerne auf eigenen Beinen stehen und nutzt eine berufliche Chance als sich diese ihr spontan bietet.

Felicitas, eine 69-Jährige hat ihr Leben scheinbar im Griff, wird jedoch von der schlechten Beziehung zu ihrer Tochter gequält.

Eduard ist ein Computernerd, der seine Leidenschaft erfolgreich im Beruf zu nutzen weiß – in technischen Belangen hat er eindeutig mehr Talent als in der Beziehung zu realen Personen.

Allen 3 Charakteren ist gemeinsam, dass sie auch wenn sie im Leben bisher nicht viel Glück hatten, gute Menschen sind, die immer das Beste für ihre Mitmenschen wollen, dabei aber auf sich selbst vergessen.

Der Roman ist in Kapitel strukturiert, die (bis die drei einander kennenlernen) jeweils einen Charakter behandeln. Wobei einige der Kapitel für sich so stark sind, dass sie auch als Kurzgeschichte funktionieren würden.

Die Sätze sind stark und präzise formuliert – bereits an den Überschriften merkt man als Leser die Liebe der Autorin zur Sprache.

Am Ende habe ich als Leser alle 3 Charaktere sehr liebgewonnen, durfte sie bei ihrer positiven Entwicklung begleiten und bin mir sicher, dass sie ihr Leben mit dem neu gewonnen Selbstbewusstsein nun gut meistern werden. Vielleicht erfährt man dies sogar in einer Fortsetzung?

(Rezension von Katharina Malinowsky)

Drei Menschen, die im Leben nicht besonders viel Glück zu haben scheinen.

Agnesa ist eine junge Frau, die übergewichtig ist, keinen Schulabschluss hat und unter der Emotionslosigkeit ihrer Mutter leidet. Sie fühlt sich in ihrer Famile als fünftes Rad am Wagen und zieht gegenüber ihren Stiefgeschwistern immer den Kürzeren. Sie jobbt im griechischen Restaurant ihres Stiefvaters. In den Angestellten dort findet sie Freunde.

Eines Tage beschließt sie, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Mit Unterstützung von Mona, einer Angestellten ihres Vaters, bekommt sie einen Job in einer Pension am Land.
Eduard ist ein Comupternerd. Er verbringt die meiste Zeit vorm Computer und seine Erfolgserlebnisse sind Computerhacks. In der Langeweile seines Lebens hat er begonnen, sich in fremde Computer einzuhacken und die Menschen zu stalken. Auch den Computer seines Vaters hat er gehackt und kann so von der Ferne an seinem Leben teilhaben ohne eine richtige Beziehung mit ihm zu haben. Plötzlich ist er selbst das Opfer. Irgendjemand hat sich in seinen Computer gehackt und beobachtet ihn.

Felicitas ist die Frau von Eduard’s Vater. Sie hatte ihre rebellische Zeit in den späten 60er- Jahren, war verheiratet und hat eine Tochter. Die Ehe mit ihrem Exmann ist gescheitert. Die gemeinsame Tochter lebt im Ausland und das Verhältnis zu ihr ist schlecht. Der Vater scheint nicht der leibliche Vater zu sein. Wer der Vater ist, wird nicht ausgesprochen und kann nur vermutet werden. Die beiden Frauen wissen nichts miteinander anzufangen. Den Kontakt zu ihren früheren Freunden hat Felicitas abgebrochen. Irgendetwas scheint damals vorgefallen zu sein. Plötzlich stirbt eine frühere Freundin.

Das Schicksal führt die drei Menschen zusammen. Agnesa steht plötzlich vor Felicitas Tür. Felicitas und ihr Mann Hermann nehmen sie auf. Dann hat Hermann einen Herzinfarkt. Eduard kommt, um seinen Vater zu sehen. Plötzlich erkennen alle drei, dass das Leben sich zum besseren wendet. Gemeinsam ist es leichter als allein.

(Rezension von Petra Kelz)

Das Buch ist im FALTER-Shop erhältlich: https://shop.falter.at/detail/9783701717293