Ludwig und die Putin-Clowns: Das vertrauliche Rathaus-Protokoll des Telefonats

Wer hat die Bürgermeister von Wien, Madrid und Berlin aufs Kreuz gelegt? Wer steckt hinter dem kompromittierenden Gespräch zwischen Wiens Landeshauptmann Michael Ludwig und dem falschen Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko? Und vor allem was hat Ludwig mit dem Fake-Klitschko besprochen? 

vom 30.06.2022

Ein dem FALTER vorliegendes Protokoll des Gesprächs zwischen Ludwig und dem falschen Klitschko gibt erstmals vage Einblicke. Fake-„Klitschko“ hat Ludwig offenbar mehrmals in eine peinliche Situation zu locken versucht – der wehrte aber ab, so das Rathaus. Das Video selbst war bei Redaktionsschluss noch nicht online.

Der FALTER hat ausführlich über den sogenannten „Prank“ gegen Ludwig berichtet und bereits angedeutet, was die Tagesschau dann bestätigte: Zwei russische Comedians, die dem Putin-Regime nahestehen, haben sich zu der Video-Falle bekannt: Vladimir Krasnov und Alexei Stolyarov. Sie treten in Russland unter den Künstlernamen „Vovan“ und „Lexus“ auf, legen regelmäßig Promis aufs Kreuz, um sie als dekadent vorzuführen  (etwa George W. Bush oder Harry Potter Autorin J.K. Rowlings) und gaben an, am Donnerstag auf rutube, der russischen Video-Plattform, ein Video mit den „besten Scherzen“ aus den Gesprächen mit den europäischen Bürgermeistern online stellen zu wollen.

Dem FALTER liegen nun exklusiv die Ermittlungsakten vor. Sie zeigen, wie die Komiker versucht haben, Ludwig aufs Glatteis zu führen. Er sollte mit einer Ukraine-Flagge wacheln und einen ukrainischen Gruß in die Kamera sprechen und die Beschlagnahme russischer Vermögenswerte in Wien fordern. Offenbar ist der Bürgermeister aber der Peinlichkeit entwichen. Zumindest steht es so in dem Protokoll des Rathauses mit dem Titel: „Videocall mit Kiew, am 22. Juni 2022“.

Ludwig soll dem Dokument zufolge im Beisein seines Pressesprechers und einer hohen Beamtin sowie zwei technischen Assistenten mit Klitschko konferiert haben. Das Protokoll über das Gespräch wurde von Mitarbeitern der Stadt erstellt und unterfertigt. Der FALTER dokumentiert daher das Rathaus-Protokoll im O-Ton – unter ausdrücklichem Hinweis darauf, das Video der Comedians noch nicht gesehen zu haben.

„Eingangs bedankt sich `Klitschko‘ für die erfolgten Hilfsleistungen der Stadt Wien. Er erkundigt sich bei HBGM Ludwig über die Situation der ukrainischen Flüchtlinge in Wien. HBGM Ludwig betont die Solidarität mit der Ukraine und nennt Beispiele, was seitens der Stadt Wien im In- und Ausland getan wurde und wird (Hilfslieferungen, Ankunftszentren, Benefiz-Konerte, Schulplätze etc.) „Klitschko“ behauptete schließlich, dass Wien eine russland-freundliche Stadt sei. „Klitschko“ fragt HBG Ludwig, wann Besitz russischer Oligarchen in Wien enteignet und dem ukrainischen Volk zugeführt werden könne. HBGM verweist darauf, dass dies nicht im Kompetenzbereich der Stadt Wien liege, verweist auf die Europäische Union und betont stattdessen nochmals welche Hilfeleistungen bereits erfolgt sind“.

Dann vermerkt das Protokoll, dass der „Gesprächston von „Klitschko“ mit der Zeit fordernder“ wurde, „was HBGM Ludwig als Folge der außergewöhnlichen Stressbelastung des Bürgermeisters von Kiew in Kriegszeiten wertete. Abschließend fordert Klitschko Herrn Bürgermeister dazu auf, mit der ukrainischen Tischfahne in der Hand – diese wurde, wie bei jedem internationalen Gespräch gemeinsam mit der Fahne des Landes Wien als Zeichen der Freundschaft aufgestellt – einen ukrainischen Gruß in die Kamera zu zitieren“. Doch Ludwig, so das Protokoll, lehnte ab „unter dem Hinweis, das Wiener Rathaus sei ohnehin mit der Ukrainischen Flagge dekoriert“.

Wird Ludwig also in dem Video vorgeführt? Laut Rathaus-Protokoll nicht. Wieso glaubte Ludwig überhaupt, dem echten Klitschko gegenüber zu sitzen? Auch das geht aus den von der Stadt Wien an die Polizei übersandten Mails hervor.

Die Sache begann am 2. Juni um 9:48 Uhr. Da erreichte Ludwig ein E-Mail eines angeblichen Klitschko-Mitarbeiters namens „Dmytro Zagumenny“ über eine eher ungewöhnliche ukr.net Domain – die allerdings auch von Beamten Kiews im Krieg benutzt wird. Die Stadt Kiew wolle sich bedanken und Klitschko wolle Ludwig über die Lage in Kiew unterrichten, heißt es darin und weiter: „I will wait for a convenient date and time to discuss this issue if possible“.

Am 10. Juni antwortet dann eine Beamtin Ludwigs und stellt den Termin 22. Juni in Aussicht, „please let me know“. Das falsche Büro Klitschko fixiert den Termin am 10. Juni Nachmittags. Noch am selben Tag informiert dann die Stadt Wien den österreichischen Botschafter in Kiew, Arad Benkö, und sendet diesem die Emails aus dem falschen Büro Klitschkos weiter und zwar mit den Worten „Lieber Arad, einen Termin für die Videokonferenz mit Bgm Klitschko hätten wir jetzt….Anbei zu Deiner Info“.  Auch Botschafter Benkö schöpft nicht Verdacht, im Gegenteil, er bietet Wien seine Hilfe an, denn er treffe Klitschko noch vor dem Zoom-Call persönlich.

Dann folgt am 20. Juni – also zwei Tage vor dem Call – tatsächlich ein Briefing durch die österreichische Botschaft für den Bürgermeister: Klitschko, so Botschafter Benkö, habe „eine lange Rede über den Kampf der UA für die westlichen Werte und die sehr hohe Zahl an Gefallen (sic!) gehalten. Und es bestehe ein ‘hoher humanitärer Bedarf’. Vor allem Einsatzfahrzeuge, Müllautos, Versorgung von Verletzten inkl. Rehabilitation und Unterstützung (Prothesen zB)“ würden fehlen.

 Alles also korrekt, alles sehr ernst. Wien und die Botschaft in Kiew hatten kooperiert und sich ausgetauscht. Ludwig, so ein Sprecher der Stadt Wien, hätte keinen Grund gehabt, daran zu zweifeln, mit dem echten Klitschko zu sprechen, er habe deshalb auch über das Gespräch getwittert. Die ukrainische Botschaft in Wien oder der Verfassungsschutz wurden allerdings für das 30-Minuten Gespräch nicht informiert, wie Innenministerium und Kanzleramt später kritisierten. Ein Fehler, wie sich nun zeigt.

Ein Fehler, den aber auch die Bürgermeister von Madrid, José Luis Martinez-Almeida

und Berlin, Franziska Giffey begingen. Aber auch der Bürgermeister von Warschau, Rafal Trzaskowski, wurde Anfang Juni reingelegt, teilte dies aber der Öffentlichkeit und anderen Stadtchefs nicht mit. Die reingelegten BürgermeisterInnen sollten offenbar allesamt lächerlich gemacht werden. Ein Akt „hybrider Kriegsführung“, wie der echte Klitschko behauptet. Er will nun mit allen Stadtchefs echte Zoom-Calls durchführen.

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