Raus aus Gas: "In der Praxis fehlen noch ein paar Voraussetzungen"

Eigentümer Stefan Gergely berichtet von Schwierigkeiten beim Umstieg auf erneuerbare Energiequellen.

vom 30.01.2023

Als Eigentümer von drei Liegenschaften im Wiener Schlossquadrat berichte ich zum Thema Decarbonisierung (= raus-aus-Gas) über bisherige Recherchen wie folgt.

Vorab: Ja, ich stehe zu Natur- und Umweltschutz, setze mich für erneuerbare Energieträger ein und plane für letztere seit Dezember 2020.

Fürs Heizen der Wohnungen und Lokale in den drei Liegenschaften des Schlossquadrats sind laut Berechnung der Firma Vasko+Partner 350 Kilowatt Wärme erforderlich.

Am effizientesten wäre der Einsatz von Erdwärmepumpen. Sie erfordern, dass Löcher bis 120 Meter tief in die Erde gebohrt werden. Im Innenhof müsste ich vor dem Bohren die  alten, schönen Linden- und Kastanienbäume fällen, was ich sicher nicht tue (abgesehen davon, dass es das Wiener Baumschutzgesetz untersagt). Aber selbst wenn es keine Bäume gäbe, würden Erdsonden nur einen kleinen Teil der Heizwärme für die vermieteten Objekte liefern.

Neuerdings erlaubt die Stadt Wien, dass man auch auf öffentlichem Grund in die Tiefe bohren darf. Für das Haus Schlossgasse 21 beispielsweise würden sich am Gehsteig rund zehn Erdsonden ausgehen (sie müssen einen Abstand von sechs Metern voneinander haben). Damit wären höchstens 40 Kilowatt Wärme möglich, also zu wenig.

Wasser-Wärmepumpen wären auch möglich. Das Schlossquadrat hat mehrere mittelalterliche Brunnen (ab er leider keine Wasserrechte), das Grundwasser liegt derzeit rund 11 Meter unter dem Erdboden. Es wurde noch nicht geprüft, ob der Magistrat eine Nutzung für Wärmepumpen erlauben würde, ob genug Wasser durchfließt und ob es von der Qualität her für Wärmepumpen geeignet wäre. Nehmen wir an, ich könnte damit einen weiteren Teil der Heizenergie bereit stellen: Wer sagt, dass es in fünfzig Jahren noch genug Grundwasser geben wird?

Verbleiben die Luft-Luft-Wärmepumpen. Die sind am weitesten verbreitet, nicht so effizient wie Erdsonden, aber deutlich günstiger in der Anschaffung. Die Hersteller behaupten, dass sie leise sind, aber vom heutigen Stand der Technik her sind große Wärmepumpen, etwa solche mit 30 Kilowatt Leistung pro Stück, in dicht verbauten Zonen noch zu laut (je nach Entfernung zur Grundstücksgrenze bzw. zum nächsten Anrainerfenster). Dazu gibt es im Ministerialentwurf zum Erneuerbaren Wärmegesetz (abgekürzt EWG) des Bundes einen Anhang, wonach elektrische Wärmepumpen nicht „zumutbar“ sind, wenn keine Möglichkeit besteht, „die Grenzwerte des Schalldruckpegels an der Grundstücksgrenze gemäß der ÖNORM S 5012 vom 1.8.2017 einzuhalten“.

Das EWG birgt auch sonst zahlreiche „Schlupflöcher“. Es hat zwar den Ministerrat passiert, ist aber noch nicht beschlossen. Rechtsexperten melden Zweifel an, dass es verfassungskonform ist (2. Anhang). Selbst wenn doch: Es müssten sich noch kleine technische Revolutionen ereignen, damit Luft-Luft-Wärmepumpen so leise sind, dass sie im innerstädtischen Wohnbereich gesetzlich „zumutbar“ werden.

Und was wird das Bundesdenkmalamt sagen? Wird es gestatten, dass auf den Dächern denkmalgeschützter Häuser zahlreiche, wie Ungetüme aussehende, Außeneinheiten von Wärmepumpen montiert werden dürfen?  Eher nein.

Wird das im Altbau statisch überhaupt zulässig sein? Viele kleine Außeneinheiten womöglich ja. Die Außeneinheit für eine größere 30-Kilowatt-Wärmepumpe (genug für 600 m2 Wohnfläche) ist jedoch samt Schallschutzhaube und Montagevorrichtung rund eine Tonne schwer.

Und dann ist noch jede Menge zusätzlicher Strom erforderlich. Haben die Wiener Netze vorgesorgt für den künftigen Strombedarf, um jene geschätzt 300.000 Gasthermen durch Wärmepumpen zu ersetzen, die zu weit weg vom nächsten Anschluss an die Fernwärme sein werden?

Im Dezember 2020 hat die Elektrofirma Rauhofer bei den Wiener Netzen in meinem Auftrag um eine Erweiterung der elektrischen Versorgung angesucht, damit die gastronomischen Lokale im Schlossquadrat Gasherde gegen Induktionsöfen und einen mit Gas betriebenen Pizzaofen gegen einen elektrischen tauschen können (solche Aufgaben werden sich noch für die meisten der über fünf tausend Lokale in Wien stellen).

Keine Antwort.

Am 29. März 2021 schrieb ich ein Erinnerungsmail an die Wiener Netze (siehe Anhang). Bis heute keine Antwort (es kam auch keine Meldung, dass das Mail nicht zustellbar war).

Also Aussichten wie beim Salzamt.

Installateure sagen mir überdies, dass die in Wien ansässigen einschlägigen Unternehmen wohl nicht in der Lage wären, alle Gasthermen bis 2040 abzubauen und durch Wärmepumpen & Co zu ersetzen, weil nicht genug Personal verfügbar und völlig unklar ist, ob genug Geräte (zumeist  aus Fernost) lieferbar sein werden.

Last, not least: Bevor keine Klarstellung  im Mietrechtsgesetz erfolgt ist, was Vermieter und Mieter in den nächsten 17 Jahren tun (und zahlen) dürfen und wer im laufenden Betrieb wofür verantwortlich ist, um raus aus dem Gas zu kommen, sind alle obigen Überlegungen graue Theorie. Analoges gilt für die Rechtslage bei  Wohnungen im Eigentum.

Fazit: Ja, in der Theorie können wir raus aus dem Gas in Wien. In der Praxis fehlen freilich noch ein paar Voraussetzungen . . .

Stefan M. Gergely

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Alle Artikel der aktuellen Ausgabe finden Sie in unserem Archiv.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!