„Ich bin skeptisch, was diese Partnerschaften angeht"
Die Gestaltung des ersten Bezirks wird zunehmend von privaten Unternehmern vorangetrieben und finanziert. Anrainer fühlen sich außen vor gelassen. Wie viel Mitsprache haben Politiker noch?
Nach zwanzig Jahren Vorlaufzeit ist das Projekt endlich fertig. Diese Woche haben die Wiener Stadtregierung, Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP), ein privater Garagenbetreiber und Walter Ruck , der Präsident der Wiener Wirtschaftskammer, den neu gestalteten Neuen Markt vorgestellt. Dass ein Unternehmer und ein Wirtschaftsvertreter dabei waren, ist nicht überraschend. Denn der private Garagenbetreiber Johann Breiteneder hat das Projekt nicht nur finanziert, sondern auch maßgeblich mitgestaltet. Das Modell der Private-Public-Partnership ist in der Innenstadt im Vormarsch. Aber ist das auch gescheit? Darüber haben wir mit Bezirksvorsteher Figl gesprochen.
Der private Garagenbetreiber hat auch den Umbau finanziert und den Platz mitgestaltet. 2018 sagten Sie im Kurier, aufgrund der bestehenden Pläne sei Ihr Handlungsspielraum eingeschränkt. Noch bevor die Umgestaltung abgeschlossen war, gab es Kritik, dass zu wenig Grünfläche kommen. Was wäre anders geworden, wenn Sie den Platz von Beginn an gestaltet hätten?
Figl: Ich glaube, man würde solche Projekte mit einer so langen Vorlaufzeit (das Projekt liegt über 20 Jahre zurück, damals war Figl noch nicht Vorsteher im ersten Bezirk) jetzt von Anfang an anders angehen. Die Ansprüche der Menschen sind auch andere geworden. Jetzt will man mehr Grün, und am effizientesten sind da Bäume, weil sie am besten für das Mikroklima sind. Auf der anderen Seite steht natürlich auch die Frage der Aufenthaltsqualität. Vor 20, wahrscheinlich auch vor zehn Jahren, wäre es unvorstellbar gewesen, Bäume auf bzw. über einer Garage zu pflanzen, weil Bäume entsprechendes Wurzelwerk brauchen. Aber jetzt hat man das technisch ermöglicht. Wir haben es geschafft, am Neuen Markt groß gewachsene Bäume, die schon ein paar Jahre alt sind, einzusetzen. Da ist uns gerade jetzt im Finale noch einiges gelungen, und das, obwohl wir durch diverse Rahmenbedingungen, wie etwa Feuerwehrzufahrten und Sichtachsen, eingeschränkt waren.
Sogenannte Public Private Partnerships, wo die Politik mit Privaten arbeitet, gibt es in der Innenstadt immer öfter. Sie werden der Öffentlichkeit oft als Win-Win-Situation verkauft, weil Private die Finanzierung zumindest teilweise bezahlen und für die Anrainer ein “lebenswerter” Wohnraum rausschauen soll. Aber dahinter stecken privatwirtschaftliche Interessen. Ist das Modell wirklich für alle sinnvoll?
Figl: Wenn am Schluss eine Win-Win-Situation rausschaut, ist es natürlich gut. Ich bin aber auch ein bisschen skeptisch, was diese Partnerschaften angeht. Ich glaube, es ist Aufgabe der öffentlichen Hand, den öffentlichen Raum zu gestalten. Bei der Politik liegt eine große Verantwortung, richtig mit diesen Projekten umzugehen. Da geht es nicht nur darum, das Projekt selbst zu betrachten, sondern auch seine Auswirkungen. So hat es beim Projekt Herrengasse zeitweise geheißen, dass dann keine Citybusse mehr durchfahren werden, weil das eine Begegnungszone wird. Damals war jemand vonseiten der Projektwerber erbost und hatte wenig Verständnis für unsere Position. Aber ich als Bezirksvorsteher glaube, dass wir den öffentlichen Verkehr für die Menschen brauchen, die hier wohnen und sich durch die Innenstadt bewegen wollen. Das heißt, man muss sich anschauen, welche Auswirkungen ein Projekt hat. Man muss jede Gasse, jeden Platz anders beurteilen. Es gibt immer wieder Menschen, die alles zur Begegnungszone machen wollen. Aber man kommt dann drauf, dass es immer Vor- und Nachteile gibt. Nicht nur für die Anrainer, auch für die Zulieferer und andere. Für uns als Bezirk ist natürlich auch die Qualität dieser Arbeiten besonders wichtig, weil die Erhaltung dieser Projekte dann in die Verantwortung des Bezirkes übergeht. Wenn das nicht funktioniert, haben wir irgendwann einen Sanierungsstau.
Der Anwalt und Geschäftsmann Wolfgang Spitzy plant im Auftrag der Ärztekammer gerade eine Neugestaltung des Franziskanerplatzes. Die Anrainer dort sind davon nicht begeistert. Der Bezirk wusste bis vor einem Monat aber noch gar nichts von den Plänen. Haben Sie das Gefühl, von den Unternehmern vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden?
Figl: Das ist ein bisschen schade. In diesem Fall ist man noch nicht an uns herangetreten. Das heißt, ich kann Ihnen inhaltlich nichts dazu sagen. Ich verstehe auf der einen Seite auch, dass diejenigen, die ein Projekt machen wollen, sich erst überlegen müssen, was sie konkret tun. Unser Anliegen ist es, die Menschen mitzunehmen und zu informieren. Wir sagen allen Projektbetreibern, sie sollen zum richtigen Zeitpunkt – also wenn man schon weiß, in welche Richtung es gehen soll – eine Bürgerinformation machen, damit man die Leute eben nicht vor vollendete Tatsachen stellt. Wir werden uns das entsprechend anschauen, wenn wir Konkreteres wissen.
Dann ist es nicht so, dass die Ärztekammer Ihnen ein fertiges Projekt vorlegt und die Finanzierung übernimmt, während Sie eigentlich nur mehr abnicken können?
Figl: Das würde ich nicht so sehen. Diese Projekte sind immer ein Diskussionsprozess mit der zuständigen Stadträtin und natürlich mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Auch beim Neuen Markt war es so. Einer sagt, er hätte gerne einen Baum, ein anderer sagt, er hätte gerne einen Schanigarten, der Nächste sagt, er hätte gerne ein Bankerl oder ein Denkmal. Das heißt, es ist immer eine Vielzahl von Wünschen unterzubringen und ein Interessenausgleich zu schaffen. Und gerade in der Weihburggasse am Franziskanerplatz gibt es einen sehr engen Straßenzug, den wir uns genau anschauen müssen. Da wird es sicher noch die eine oder andere Diskussion geben.
Private haben vermutlich andere Interessen als die Anrainer, denen die Aufenthaltsqualität oder Begrünung wichtiger sein dürfte. Wenn man sich die Statistik anschaut, ist die Grünfläche in der Inneren Stadt prozentuell seit 2016 nicht gestiegen. Hat das etwas mit diesen Partnerschaften zu tun?
Figl: Wir haben uns in den letzten Jahren ganz massiv um die Frage der Bäume gekümmert. Als ich Bezirksvorsteher geworden bin, hatten wir zum Beispiel einen Rückstau von 200 Ersatzpflanzungen in der Inneren Stadt aufzuholen. Am Petersplatz haben wir jetzt 18 neue Bäume dazubekommen. Am Neuen Markt kommen jetzt sechs groß gewachsene Platanen plus Stauden und Beete dazu. Und dann gibt es noch viele andere Projekte. Wir versuchen dort, wo es möglich ist, Bäume zu pflanzen. Was wir wahrscheinlich nicht schaffen werden, ist eine zusätzliche große Parkanlage. Dafür ist die Fläche in der City nicht vorhanden, aber mehr Grün, das gibt es schrittweise sehr wohl.
Haben Sie, abgesehen vom Platzproblem, in der Innenstadt andere Voraussetzungen, was die Begrünung betrifft?
Figl: Ja. Wir haben zum Beispiel vor einigen Jahren Bäume am Salzgries gepflanzt, von denen jeder mehrere Tausend Euro gekostet hat – einer sogar 25.000 Euro. Im ersten Bezirk haben wir wahnsinnig viel unter der Erde: Gasleitungen, Kanäle, Kabel vom Stromnetz, die U-Bahn-Bauten und die Keller. Und als man vor einigen Jahrzehnten Kanäle errichtet oder Kabel verlegt hat, hat man nicht darauf geachtet, dass dann auch Wurzeln drumherum wachsen können. Das heißt, nicht überall, wo sich eine freie Fläche befindet, kann man tatsächlich auch Bäume pflanzen. Ich hatte eine Diskussion mit einem Bewohner, der wissen wollte, warum es in einer Gasse keinen versickerungsfähigen Sand zwischen den Pflastersteinen gab. Die einfache Antwort: Das geht dort leider nicht, weil sich im Untergrund Keller befinden, die feucht geworden wären. Ansonsten ist es der Auftrag der zuständigen Magistratsabteilung, wo immer möglich, versickerungsfähigen Sand zu nehmen und keine Zementverfugung.