Im Angesicht des Todes
Ein enthaupteter Wolf in Tirol, ein erschossener Luchs in Oberösterreich, ein ausgestopfter Bär in Niederösterreich. Wildtierkriminalität erschwert die Rückkehr bedrohter Arten. Ins Visier der Ermittler geraten fast immer: Jäger
Es war einmal ein Wolf, der lag ohne Kopf im Wald. Jemand hatte dem Tier in den Bauch geschossen, dann wurde es enthauptet. Pilzsucher fanden den Kadaver im Juli 2019 in Sellrain, einer Gemeinde nahe Innsbruck. Die Umweltorganisationen WWF und Naturschutzbund lobten eine Prämie von 11.000 Euro aus, um den Wolfsmörder zu ergreifen. Bis heute konnte ihn die Polizei nicht fassen.
Der Wolf ist ein mythisches Tier. In Märchenbüchern verkörpert Isegrim das Böse. Im 19. Jahrhundert rotteten die Menschen den Wolf in Mitteleuropa aus, das letzte heimische Rudel wanderte durchs steirische Wechselgebiet, es verschwand vor 140 Jahren. Erst in jüngster Vergangenheit kam der graue Beutegreifer wieder über die Grenze zurück nach Österreich, 2009 wurden mehrere Individuen im Land beobachtet, 2016 bildete sich das erste österreichische Rudel am Truppenübungsplatz des Bundesheeres in Allentsteig. Bald darauf streiften mehrere Rudel durch Niederösterreichs Norden, es klang nach einer erfolgreichen Wiederbesiedelung. Doch ganze Rudel verschwanden wieder. „Wir haben in Österreich das beste Wolfshabitat in ganz Mitteleuropa, aber haben nur drei Rudel. Alle anderen sind spurlos verdunstet“, sagt der Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal, der das Wolfsforschungszentrum im niederösterreichischen Ernstbrunn mitbegründete. Sein Verdacht: Der illegal geschossene Wolf in Sellrain war kein Einzelfall.