Die letzten Meter des ewigen Eises
Der Jamtalgletscher in Tirol liegt im Sterben. Eine Glaziologin begleitet ihn auf seinem letzten Weg. Derweil vermarkten Touristiker den Rückgang des Eises und stellen sich auf einen grauen Berg ein, der bald ergrünen könnte
Dunkel ist das Eis der Zukunft. Es liegt hier oben auf über 3000 Metern, in der Silvrettagebirgskette im Südwesten Tirols, wo die Jamtalspitze und die Dreiländerspitze in den Himmel ragen. Ein Laie würde das Eis für Fels halten. Geröll bedeckt es, über seine schroff abfallende Seite hat sich eine schwarzgraue Schmutzschicht gelegt. Die Form erinnert an einen gestrandeten Pottwal, der aus dem Bauch blutet. Doch aus der Wunde fließt kein Blut, sondern Schmelzwasser.
Der vermeintliche Fels ist sogenanntes Toteis. So nennt man jenes Eis, das nicht mehr mit dem Gletscher verbunden ist, sich nicht mehr bewegt, sondern nur noch herumliegt und aufs Abschmelzen wartet. Man kann dem Toteis in der Silvretta-Gebirgsgruppe live beim Sterben zusehen. Es plätschert nicht nur aus ihm heraus, es rieseln auch stetig lose Steine herunter. Bräuchte man für die Klimakrise einen Soundtrack, müsste man hier bloß ein Mikrofon aufstellen.