„Sind Sie jetzt geschockt?“

Er kastriert Ferkel ohne Narkose und schlägt auf seine Schweine ein. Tierschützer filmen ihn heimlich dabei. Dann erschrickt der Bauer über sich selbst. Zu Besuch bei einem Schweinezüchter, der sich erstmals die Systemfrage stellt

Natur, FALTER 16/2021 vom 20.04.2021

Foto: Florian Klenk

Das Video ist 26 Sekunden lang. Es zeigt eine Obststeige, gefüllt mit Ferkeln. Männer in Overalls heben sie aus der Kiste und schneiden ihnen den Ringelschwanz und die Hoden ab. Ohne Betäubung. Die Männer sind ruhig und routiniert, sie plaudern, während sie ihr Werk verrichten. Sie wirken, als würden sie Gemüse putzen.

David Richter, ein Aktivist des Vereins gegen Tierfabriken (VGT), hat das Video zugespielt bekommen und mir gemailt. Normalerweise klicke ich grausame Tierschützervideos weg und verdränge sie. Weil ich aber gerade ein Buch über Bauern schreibe, habe ich genauer hingesehen. Je öfter ich das Video betrachte, je mehr Details ich erkenne, desto ratloser lässt es mich zurück.

Was ist zu sehen? Ein Mann packt die Tiere an den Hinterbeinen, durchtrennt den Ringelschwanz mit einem glühenden Draht. Der Gesetzgeber erlaubt dieses „Kupieren“ nur in Ausnahmefällen, etwa wenn Schweine sich aufgrund der Enge im Stall den Schwanz abbeißen. Hier in dieser Halle ist es eng, daher darf das Schwein auch noch verstümmelt werden.

  2838 Wörter       14 Minuten

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