Komödien, Krimis und Kostümfilme

Die Retrospektive „Schillernd grau“ widmet sich dem französischen Kino der Okkupationszeit

FALTER:Woche, FALTER:Woche 14/2019 vom 02.04.2019

Truffauts „Die letzte Metro“ (1980) und die Continental-Filme „Der Rabe“, „Das unheimliche Haus“ und „Ihr erstes Rendezvous“ (Fotos: DEUTSCHE KINEMATHEK, GAUMONT, FILMARCHIV AUSTRIA)

Es sei eine Tatsache, schreibt der Regisseur François Truffaut in seinem berühmten Aufsatz „Der französische Film, die Okkupation und ich“, dass Zeiten der Not und des Elends den Kinobesuch ansteigen lassen: „Als die Deutschen 1940 nach dem Waffenstillstand das Land besetzten, wurde das Kino für alle eine Art Zufluchtsort, und das nicht nur im übertragenen Sinne.“ Jahrzehnte später setzte Truffaut dieser Zeit, in der auch er selbst das Kino zu lieben gelernt hatte, mit seinem Meisterwerk „Die letzte Metro“ ein filmisches Denkmal.

Die aktuelle Filmreihe „Schillernd grau“ im Metro Kinokulturhaus gibt erstmals einen Überblick über das französische Kino unter Nazi-Herrschaft. Für die von Ralph Eue und Frederik Lang kuratierte Retrospektive zentral sind die Filme der Continental, einer mit deutschem Geld im besetzten Paris operierenden Firma, die von 1941 bis 1944 nicht weniger als 30 Spielfilme hergestellt hat, mehr als jede andere Produktionsgesellschaft.

Bemerkenswert ist, dass sich unter den allesamt in französischer Sprache mit französischen Teams gedrehten Filmen kein einziger Propagandastreifen findet. Geschäftsführer Alfred Greven (1897–1973), vormals als Produzent in der Berliner Filmfabrik Ufa tätig, setzte auf Unterhaltung für ein möglichst breites Publikum; politische Anspielungen – antisemitischer Natur etwa oder pro Pétain –, wie im Kino der 1930er gang und gäbe, sucht man hier praktisch vergebens.

Komödien, Krimis und Kostümfilme waren die Domäne der Continental. Man verpflichtete arrivierte Regisseure wie Maurice Tourneur, Henri Decoin oder Christian-Jaque und baute Schauspieltalente wie Danielle Darrieux, Paul Meurisse, Martine Carol oder Fernandel, den späteren Don Camillo, zu Leinwandstars auf. Sogar ein paar jüdische Mitarbeiter wurden, ungenannt oder unter Pseudonym, weiterhin beschäftigt, etwa der Autor Max Kolpe und der Ausstatter Alexander Trauner.

Der aus Deutschland geflohene Kolpe schrieb denn auch gleich am Drehbuch zu „Ihr erstes Rendezvous“ mit, der ersten Continental-Produktion, die im Sommer 1941 ins Kino kam. Für die Komödie, in der Danielle Darrieux als Zögling eines Waisenhauses die große Liebe findet, nahm er sich Hollywoods flotte Screwball Comedies zum Vorbild. Sie wurde ein Kassenknüller und wie die meisten Filme der Continental umgehend auch für den deutschen Markt synchronisiert.

Ihr komödiantisches Talent bestätigte Darrieux mit „Caprices“, und zwar als spitzbübische Schauspielerin, die als Blumenmädchen verkleidet einen Silvesterball besucht, auf dem ein gönnerhafter Millionär alljährlich ein armes Mädchen für eine Nacht zur Prinzessin macht. Nun, diesmal ist er an die Falsche geraten! Und NS-Propagandaminister Joseph Goebbels notierte nach der Premiere des Films alarmiert: „Wir müssen bei den Franzosen etwas aufpassen, damit sie nicht unter unserer Führung eine neue Filmkunst aufbauen, die uns auf dem europäischen Markt allzu starke Konkurrenz macht.“

Mit zum Markenkern der Firma gehörten Krimis, so beispielsweise avancierte Georges Simenon erst durch sie im Kino zum Begriff. Neun Romane des belgischen Bestsellerautors wurden unter der Okkupation verfilmt; fünf davon bei der Continental, in dreien verkörperte Albert Préjean den Kommissar Maigret. Die stärkste der damaligen Simenon-Adaptionen allerdings ist ein Non-Maigret: „Das unheimliche Haus“ mit Schauspiellegende Raimu, der als versoffener Anwalt den korrupten Honoratioren einer Provinzstadt den Prozess macht.

Für das Drehbuch dieses düsteren Dramas zeichnete Henri-Georges Clouzot verantwortlich, der wenig später bei der Continental auch als Regisseur debütierte und 1943 mit „Der Rabe“ einen der Klassiker des französischen Kriminalfilms schuf. Schauplatz des Films, der heute als Schlüsselwerk jener Epoche gilt, ist eine französische Kleinstadt, in der anonyme Drohbriefe ein Klima aus Angst und Misstrauen schüren. Erstes Opfer der Denunziationen ist der Arzt Dr. Germain, dem Ehebruch und Abtreibungen vorgeworfen werden.

Clouzot inszenierte „Der Rabe“ nach Art amerikanischer Films noirs. Prompt zieh man den Regisseur und sein Werk sowohl von katholischer als auch kommunistischer Seite der Amoral, des Nihilismus und der Niedertracht. Beide wurden erst nach dem Krieg rehabilitiert, bis der Film erstmals in Deutschland gezeigt wurde, mussten gar 30 Jahre vergehen.


Retrospektive „Schillernd grau“:

11.4. bis 1.5. im Metro Kinokulturhaus

Info: www.filmarchiv.at

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