Vom Scheiterhaufen zum Shitstorm
Silicon Valley entdeckt den französischen Denker René Girard (1923–2015) neu. Seine Gedanken zu Neid, Nachahmung und Gewalt erklären auch die fragilen Beziehungen in der vernetzten Welt
René Girard (Foto: DERRICK CEYRAC / AFP / picturedesk.com)
Neid ist diejenige Todsünde, die am wenigsten Spaß macht. Häufig verbirgt sie sich hinter Ressentiments oder wirft sich das Deckmäntelchen der Kritik über. Je demokratischer eine Gesellschaft wird, umso häufiger fragen die Menschen: Was hat der, was ich nicht habe? Der soziale Wettbewerb frisst das Wir-Gefühl auf, das uns miteinander verbindet.
Auch im Internet nagt der Narzissmus der kleinen Unterschiede und der damit einhergehenden Kränkungen am Miteinander. Plattformen wie Facebook oder Twitter leben von Neid und Eitelkeit, vom Gefühl, zu wenige Likes zu haben. In dieser unheilvollen Gemengelage entsteht das, was der französische Denker René Girard (1923–2015) noch in analoger Zeit als die Jagd auf den Sündenbock bezeichnete. Der reale Scheiterhaufen verwandelt sich in das Fegefeuer des Shitstorms.