Stachelhonig

Peter Iwaniewicz will nicht in der Tierecke der Kronen Zeitung aufwachen

Kolumnen, FALTER 10/2019 vom 05.03.2019

Der Frühling dräut, und mit ihm stehen die Pflanzen wieder im Saft. Die Menschen hingegen – wie man in Wien salopp sagt – gehen in Saft. Auf meine letztwöchige Kolumne zum „Kuhurteil“, in dem ein Landwirt zu einer hohen Schadenersatzzahlung an die Hinterbliebenen einer von Rindern getöteten Frau verurteilt wurde, bekam ich folgende wohlüberlegte Reaktion: „Du Sautrottel, kennst dich nicht aus, aber redest nur deppat!“ Abgesehen von der saftigen Wortwahl belegt dies eigentlich genau das, was ich schrieb. Nämlich dass in Österreich offenbar nur Bauern darüber verfügen und sprechen dürfen, wie Natur genutzt werden darf. Ich hefte diese Saftschrift fein säuberlich in einem Ordner ab, auf dem steht: Das Wort gleicht einer Biene, es hat Honig und Stachel.

Apropos Insekten: Leser sind oft rätselhafte Wesen, bei denen ich nie genau weiß, was sie wirklich an der Tierwelt interessiert. In einem anderen Mail wurde ich gefragt, wieso ich denn so oft über Insekten und nicht viel mehr über „Hundsis und Katzis“ schriebe. Es gehört zu meinen nachtschweißfördernden Visionen, eines Tages aus unruhigen Träumen zu erwachen und mich in meinem Bett in den Kolumnisten der „Tierecke“ in der Kronen Zeitung verwandelt wiederzufinden. Nichts gegen Tierecken, aber die Bedeutung dieser Haustiere ist vergleichsweise gering. Jennifer Owen, eine der Pionierinnen des Wildlife-Gardenings, katalogisierte seit den 1970er-Jahren akribisch, welche Lebewesen sich in ihrem 700 Quadratmeter großen Garten in Leicester aufhielten. In 35 Jahren identifizierte sie 2880 verschiedene Arten, unter denen sich 474 Pflanzen, 2204 Insekten (von denen 20 Arten für England noch nie beschrieben worden waren), 138 weitere wirbellose Tiere wie Spinnen, Schnecken und Würmer und 64 Wirbeltiere. Der Großteil letztgenannter Gruppe waren Vögel, jedoch nur jeweils einmal Katze und Hund. So viel zu den wahren zahlenmäßigen Verhältnissen rund um uns. Es gibt aber auch Zahlen zu den Verhältnissen in uns: Britische Apfelplantagen werden jedes Jahr mit 13 Fungiziden, zwei Herbiziden und fünf Insektiziden gespritzt. Eine Greenpeace-Studie von 2015 erhob, dass 83 Prozent der in Supermärkten verkauften Äpfel aus konventionellem Anbau noch Pestizide enthielten, 14 Prozent davon sogar das nervenschädigende Gift Chlorpyrifos. Aber vermutlich reden die schon wieder nur deppat und kennen sich nicht aus.

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