Wem gehört Natur?

Peter Iwaniewicz dankt Bruno Kreisky für die Wegefreiheit

Kolumnen, FALTER 9/2019 vom 26.02.2019

Das in der Nationalhymne beschworene Land der Hämmer – also der „Arbeiterklasse“ – gibt es im Österreich des 21. Jahrhunderts nicht mehr. Sehr wohl aber existiert noch immer das Land der Äcker. Und der Almen. Das erstinstanzliche Urteil des Landesgerichts Innsbruck, das einen Landwirt für schuldig befand, weil seine Rinder eine Frau getötet hatten, ließ die Wogen der Empörung hochgehen. Man werde daher alle Wanderwege für Fußgänger sperren, drohte sofort die Bauernlobby. Und eine Einzäunung der Weideflächen wäre unfinanzierbar und käme daher nicht infrage. Das findet in Medien und der öffentlichen Meinung Resonanz: Die Frau ist selbst schuld daran, mit Hund geht man nicht auf Almen, Touristen und Stadtmenschen haben keine Ahnung vom Umgang mit Nutztieren etc.

In einer Presseaussendung des Gerichts zeigt sich aber eine andere Wirklichkeit: Die Attacke der Mutterkuhherde auf die Frau passierte auf einer öffentlichen, von Wanderern und Bikern stark genutzten Strecke, in deren unmittelbarer Nähe sich eine große Gastwirtschaft mit Stall befindet. Da soll eine Abzäunung zur Straße hin unzumutbar sein?

Wem gehört Österreich? Ganz real den Land- und Forstwirten. Laut „Grünem Bericht“ werden 38 Prozent der heimischen Landschaft agrarisch genutzt und 40 Prozent forstlich bewirtschaftet. Auf drei Viertel der Naturräume gibt es daher grundrechtliche Ansprüche einer sehr kleinen Personengruppe, die nur 2,6 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung stellt.

Seitdem 1975 im Forstgesetz die Wegefreiheit festgelegt wurde, die jedermann das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken gestattet, ist dies ein Stachel im Fleisch der Grundbesitzer. Zu diesem Recht gibt es jedoch zahlreiche Regelungen, die auf diese Waldflächen dennoch ein Betretungsverbot verhängen können: Waldbrandgefahr, Schädlingsbekämpfung, Jungwald unter drei Metern, jagd- und naturschutzrechtliche Sperren, Nationalparkgesetze, Flächen, die in Zusammenhang mit den Wohnhäusern der Grundeigentümer stehen, etc.

Jeder kleine Handwerksbetrieb hat mehr betriebliche Auflagen hinsichtlich Abluftfilterung, Lärmschutz, Abfallentsorgung oder Bauvorschriften als ein Landwirt. Methangas? Gülleausbringung? Nitrat im Grundwasser? Pestizide? Feinstaub? Zubau im Schutzgebiet? Kein Vergleich mit anderen Wirtschaftstreibenden. Aber Haftung? Nein! Wem gehört Österreich?

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