„Rap ist natürlicher denn je“

Dendemann kommt. Der Ausnahme-Rapper über Krisen und den Siegeszug des Hip-Hop

FALTER:Woche, FALTER:Woche 7/2019 vom 12.02.2019

Foto: Nils Müller

Dendewer? Der Rapper mit der Krächzstimme wird von alten Hip-Hop-Liebhabern wie auch von so manchem Indie-Fan abgöttisch verehrt. Der in Berlin lebende Mittvierziger, der seit gut 20 Jahren aktiv ist, fällt durch seinen ausgefeilten Flow, noch mehr aber durch unverbrauchte Reime, Sprachwitz und gerne auch bewusst schiefe Bilder und Vergleiche auf. Zwischenzeitlich arbeitete er für Jan Böhmermann, mit „Da nich für!“ veröffentlicht er sein erstes Album seit einer halben Ewigkeit und beehrt nun wieder die Bühnen.

Falter: Sie sind Silbenakrobat und einer der besten deutschsprachigen Rapper, doch zwischen Ihrem letzten Studioalbum und dem neuen Werk liegen neun Jahre. Warum dauert das immer so lang?

Dendemann: Wie viel Zeit haben wir? Ich bin Ende der 1990er als Teil des Duos Eins, Zwo mit großen Schritten in diese Branche eingestiegen. Nach nur drei Auftritten hat sich das Management von Fettes Brot bei uns gemeldet. Wir waren im Geschäft! Alle zwei Jahre ein Album rauszuhauen war normal. Nach der Auflösung von Eins, Zwo wurde es schwieriger. Ich fand, das ging so nicht, ich konnte nicht allein in genau dem Stil weitermachen.

Ihre erste Solo-Veröffentlichung hieß „DasSchweigenDilemma“. Schweigen und Rap passen nicht zusammen. Machen Sie es sich selbst gern schwer?

Dendemann: Wahrscheinlich. Ich kann zum Beispiel nicht gut mit Scham umgehen. Es gab zwei, drei Momente in meinem Bühnenleben, die sich richtig scheiße angefühlt haben, weil meine Texte nicht zur Situation passten. Manche Dinge haben in einem Battle-Rap Platz, aber man soll sie seinem geliebten Publikum nicht von der Bühne aus ins Gesicht sagen. Bei Plattenaufnahmen wiederum brauche ich jemand, der mich davon abhält, noch die 57. Version eines Stücks zu probieren.

Hip-Hop gilt eigentlich als weithin schambefreite Kunst.

Dendemann: Dafür sind bei uns die Berliner Rapper der Nullerjahre verantwortlich. In der Zeit ist Hip-Hop technisch fünf Jahre zurückgefallen. Für Leute wie Samy Deluxe oder mich ging es um Silbenzählen und um das Anheben des Sprachlevels. Dafür hatten die keinen Bedarf. Die wollten Musik für ihre Leute machen, die diese schambefreit mit offenem Fenster im Auto hören konnten. Das meine ich gar nicht abwertend, eher neidisch. Dass Hip-Hop so selbstverständlich klingt, hatten wir Studenten-Rapper zuvor nämlich nicht geschafft.

Als selbstironischer Typ mit ausgeprägtem Hang zu Wortspielen sind Sie in der Hip-Hop-Welt sowieso ein Sonderling.

Dendemann: Das hat mich lange beschäftigt. Ich Mittelstandskind als Rapper – geht das überhaupt, oder ist es nur adaptierter Quatsch? Wenn du es nicht vernünftig machst, wird dir die Daseinsberechtigung früher oder später vom Markt entzogen. Ich bin eine Zeit lang musikalisch hinter mein früheres Level zurückgefallen, wollte mir meinen Traum aber nicht kaputt machen. Außerdem hatte ich nichts anderes, keinen Plan B. Da ist ein tierischer Frust entstanden.

Heute ist Hip-Hop omnipräsent und extrem erfolgreich. Gut so?

Dendemann: Ja. Das noch erleben zu dürfen, ist für mich, der ich in erster Linie selber Rap-Fan bin, utopisch. Hip-Hop ist natürlicher denn je. Ich muss nicht alles gut finden und muss mir auch nicht alles anhören, was so rauskommt, aber aus der Sicht des Genres ist es toll.

Und Sie feiern ein Comeback. Haben Sie es Jan Böhmermann zu verdanken?

Dendemann: Dass er mich als Haus- und-Hof-Rapper in seine Sendung geholt hat, gab schon Rückenwind. Erst war es für mich total absurd, Tag für Tag zu aktuellen Ereignissen einen Text zu schreiben. Aber mit der Zeit entwickelt man Werkzeuge, um solche Textmengen zu schaffen. Durch die satirische Rückendeckung der Sendung konnte ich zynisch, bissig und sogar wütend sein. Für mich war das wie ein Befreiungsschlag.

Ihr neues Album knüpft an Ihre frühen Platten an und hat gleichzeitig einen modernen Sound. War das die Prämisse?

Dendemann: Genau. Ich wollte den alten Vibe, aber das Resultat sollte so klingen, als wäre es gestern fertig geworden. Meine Produzenten haben es zuerst mit typischen Ami-Samples versucht. Ein komisches Gefühl, denn die meisten dieser Samples wurden schon fünf Mal besser verarbeitet. Ich brauchte einen eigenen Sound. Also habe ich Sachen gesucht, die im Hip-Hop heute niemand verwenden würde: Rio Reiser, Hildegard Knef, Heinz Erhardt.

Mit „Littbarski“ findet sich auch eine Nummer im modernen Trap-Sound auf der Platte. Eine ironische Aneignung, oder feiern Sie Trap?

Dendemann: Ich weiß, dass meine alten Fans hoffen, ich würde mich nur über das Genre lustig machen. Das Gegenteil ist der Fall. Obwohl es sich um ein witziges Stück handelt, meine ich es todernst.

Gasometer, Do 20.00

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Alle Artikel der aktuellen Ausgabe finden Sie in unserem Archiv.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!