Todeskälte

Kalt in mir. Nein, ich zitiere hier nicht Norbert Kasers posthum veröffentlichtes Buch. Und ich verirre mich auch nicht in den sprachlichen Sackgassen frankophoner Menschen, die mangelnde Körperwärme mit der französischen Formulierung „Ich habe kalt“ beklagen.

Nein, kalt in mir ist jenes Gefühl, das zum Tode verdammte Ratten empfinden, wenn sie von den für sie ausgelegten und hochgiftigen Gerinnungshemmern gefressen haben, an denen sie sehr langsam innerlich verbluten.

Auch mich fröstelt, denn nach langer Zeit warmen Schweigens hat sich der Medienmogul wieder gemeldet. „Gift“, schnauft er erregt ins Telefon, „ich muss sie vergiften!“ Ich unterdrücke den Impuls nachzufragen, ob seine Haushälterin vielleicht seine Brokat-Pantöffelchen verlegt hat, und antworte nur mit einem mäßig interessierten „Ah ja“.

„Ratten! Ich habe eine Ratte auf meiner Terrasse gesehen, die muss weg!“, echauffiert er sich weiter.

Ich beginne mit der Befragung nach den Regeln des Handbuchs für tierische Übergriffe: Sind Sie verletzt? Nein. Ist das Tier in die Wohnung eingedrungen? Nein. Wurden Lebensmittel verschmutzt? Nein. Gibt es Fraßspuren? Nein. Exkremente? Neiiiin, die Ratte muss weg!

Da ich das cholerische Temperament des Medienmoguls kenne, frage ich nicht nach dem Warum. „Gift ist keine Lösung“, erkläre ich, „denn Ratten finden sicher genügend attraktives Essen, das die Bunnys bei den Partys auf ihrer Terrasse überlassen. Außerdem töten Sie damit mehr andere Kleinsäuger wie Waldmäuse und Bilche. Setzen Sie doch besser vorbeugende Baumaßnahmen, die verhindern, dass die Tiere in die Gebäude eindringen können. Schließen sie Löcher und Spalten, bauen Sie Gitter und Klappen ein, lassen Sie keine Lebensmittel im Freien liegen. Wanderratten graben so gut wie Maulwürfe, tauchen wie Fischotter und klettern besser als Gämsen. Und beobachten Sie dann diese intelligenten Tiere.“

„Blödsinn“, brüllt der Mogul so laut, dass ich danach nur etwas mit „töten“ verstehe. „Dann besorgen Sie sich deren natürliche Feinde wie Katze, Mauswiesel, Iltis oder Steinmarder. Auch Eulen und Uhus jagen sehr effizient Ratten.“

„Ratten übertragen 120 verschiedene Krankheiten!“

„Und wie viele Infektionen übertragen Menschen?“, kontere ich.

Der Mogul legt auf. Und ich wärme mich mit einem Schluck Bulleit Bourbon Frontier Whiskey.