„Wir haben uns gefügig machen lassen“

Der deutsche Kabarettist Max Uthoff will mittels Satire mehr Gerechtigkeit in die Welt bringen

FALTER:Woche, FALTER:Woche 5/2019 vom 29.01.2019

Foto: Michel Neumeister

Moskauer Hunde“ heißt das neue Soloprogramm des deutschen Kabarettisten Max Uthoff. Ende dieser Woche wird er es in Wien präsentieren. Bekannt ist Uthoff, 51, einem breiten Publikum durch die politische Satiresendung „Die Anstalt“ (ZDF), in der er mit seinem Kollegen Claus von Wagner als Gastgeber fungiert. In München geboren, übernahm Uthoff nach seinem Jusstudium kurzzeitig die Leitung der Kleinkunstbühne Rationaltheater in der bayerischen Hauptstadt, die sein Vater gegründet hatte.

Als Kabarettist nur zu unterhalten ist ihm zu billig, seine Analysen der Gegenwart sind hart. Uthoff, so ist es auf seiner Website nachzulesen, will „mit den Mitteln der Satire ein gerechteres Gesellschaftssystem erreichen“. Der Falter hat ihn beim Wort genommen und nachgefragt.

Falter: Herr Uthoff, was ist denn ein gerechtes Gesellschaftssystem?

Max Uthoff: Alles, was gerechter ist als der jetzige Zustand. Das fängt damit an, dass man nicht auf Menschen eintritt, die auf dem Boden liegen, oder sie verächtlich macht. Wenn etwa FDP-Chef Christian Lindner sich Hartz-IV-Empfänger auf der Couch sitzend vorstellt oder die österreichische Regierung Mindestsicherungsbezieher als faul darstellt. Aber wenn ich die große Vision hätte, dann würde ich auf dem Marktplatz mit einem Megafon stehen und sie laut verkünden.

Sie sagen auch, dass der Kapitalismus aus den Angeln gehoben werden soll. Ist am Kapitalismus alles schlecht?

Uthoff: Ich will weder die Diktatur des Proletariats noch die des Kapitals, ich will überhaupt keine Form der Diktatur. Aber die Zustände, zu denen der Kapitalismus in den letzten Jahrzehnten in seiner Turboversion geführt hat, sind doch kaum erträglich. Dass wir uns alle nicht daran stören, wenn der Ökonom Thomas Piketty nachweist wohin das alles führt, dass, salopp gesagt, im Kapitalismus der Teufel immer auf den größten Haufen scheißt, sagt viel darüber aus, wie gefügig wir uns schon haben machen lassen.

Wie sieht eine utopische Revolution aus, nach der wirklich alles besser ist?

Uthoff: Wir sollten den Begriff des Eigentums überdenken. Mir scheint dieses Haben, Immer-mehr-Haben und Sich-darüber-Definieren schon die Wurzel des Problems zu sein. Doch selbst bei linken Freunden stoße ich mit dem Gedanken, dass man mehr Allgemeineigentum schaffen könnte, auf Widerstände.

Warum glauben Sie, dass die Satire das geeignete Mittel für Veränderungen ist?

Uthoff: Weil alles andere versagt. Ich traue der Satire auch nicht zu, das System aus den Angeln zu heben. Aber das Gefühl, dass da etwas ungerecht ist, wirkt schon als Impuls und treibt mich auf die Bühne. Letztendlich ist es ein winziger Baustein einer Gegenöffentlichkeit.

Auf Ihrer Website gibt es ein

Formular, über das Menschen Eintrittsgeld zurückerstattet bekommen, wenn sie es sich eigentlich nicht leisten konnten. Nehmen Besucher das Angebot in Anspruch?

Uthoff: Ja, aber leider nicht oft. Das ist schade, weil es bedeutet, dass Menschen, die Hartz IV beziehen, selten ins Kabarett gehen oder zu wenig von dem Angebot wissen. Ich will auch keine Nachweise und gehe davon aus, dass die Menschen das in Anspruch nehmen, weil sie es tatsächlich brauchen. Das gilt natürlich auch für Wien.

Inwiefern beschäftigen Sie sich in

„Moskauer Hunde“ mit politischen Fragen?

Uthoff: Das Programm hat zwei Schwerpunkte: Unser Leben im globalen Norden auf Kosten des globalen Südens und die Zersplitterung der Gesellschaft, die der Neoliberalismus in den letzten 30 Jahren verursacht hat. Dass man Formen der Solidarität untergräbt und unter Generalverdacht stellt. Ich hoffe, dass das für die Wiener interessant ist, wenn sie um diese Zeit dann schon wach sind.

Unter dem Titel „Moskauer Hunde“ kann ich mir nichts vorstellen …

Uthoff: Das ist gut so! Ich wollte mir die Freiheit nehmen, einen etwas verstörenden Titel zu wählen. Es ist eine kleine Geschichte, die tatsächlich stattgefunden hat und von Straßenhunden in Moskau handelt, die immer mehr geworden sind. Daraus leite ich dann eine winzige Utopie ab.

Können Sie ausführlicher darüber erzählen?

Uthoff: Ich bin an meine Amtsverschwiegenheit gebunden.

Weil Sie als Jurist eigentlich Kabarettbeamter sind?

Uthoff: Ja, staatlich geprüfter Kabarettbeamter.

Hilft Ihnen Ihr Jusstudium,

Ihre Programme zu schreiben?

Uthoff: Das habe ich eher durch mein Elternhaus gelernt, weil ich mit politischem Kabarett aufgewachsen bin. Das Studium hilft ein bisschen. Man lernt, Texte genau zu lesen, gerade was Aussagen von Politikern betrifft. Zu fragen, was das wirklich bedeutet. Aber ganz ehrlich, wegen dieses kleinen Effekts hätte ich mir die vielen Jahre Studium vielleicht sparen können.


Stadtsaal, Fr, Sa 20.00

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