Im Jahre Schnee

Peter Iwaniewicz weiß nicht, wieso Hansi Hinterseer in der Kolumne auftaucht

Kolumnen, FALTER 3/2019 vom 15.01.2019

Winter. Kälte. Schnee. Wie kann man als fellloses Lebewesen diese Jahreszeit am besten überleben? Ein bisschen am Fenster stehen, sich an die Heizung lehnen und den brummelnden Stubenfliegen zusehen, wie sie immer wieder gegen das Glas stoßen. Könnte man machen. Oder sich über Schlagzeilen wundern: „Tausende fuhren weltweit ohne Hose U-Bahn“. Angesichts der nach Meinung des Veranstalters „unglaublich lustigen Veranstaltung völlig ohne Sinn“ würde ich dann doch lieber die erfundenen Reportagen des Spiegel-Journalisten Claas Relotius lesen.

Man kann aber auch nachdenken und sich fragen, welche Lebewesen sich darüber freuen, dass es heuer so viel Schnee gibt. Wie geht es den seltenen Schneehasen? Nein, nicht den sexistisch von alten Männern „Schneehaserl“ genannten Frauen in Skigebieten, sondern jenen nach der letzten Eiszeit von den Feldhasen in immer höhere Gebiete verdrängten Nagetieren. Diese – und die oben erwähnten Männer – nennt man als bis in die Gegenwart überlebende Populationen auch „Eiszeitrelikte“. Genauso wie andere Feldhasen, lebt Lepus timidus varronis (wissenschaftlicher Name der Alpenpopulation) nicht in Höhlen, sondern in flachen Mulden oder im Winter auch in Schneegruben. Gegen das Versinken im Neuschnee hilft ihnen ihre dichte Winterbehaarung. Vor allem auf den Pfoten schützt sie sie vor der Kälte und dank zusätzlich spreizbarer Zehen können sie über den Schnee laufen, ohne einzubrechen. Das wären jene Schneeschuhe gewesen, die Hansi Hinterseer statt seinen klumpigen Fell-Moonboots wirklich berühmt gemacht hätten.

Beide geben nur wenig melodische Laute von sich. Zu den Lautäußerungen zählen Murren und Zähneknirschen als Drohgebärden, ein lautes Quäken, wenn Fuchs, Marder oder Greifvögel angreifen. Bei der Begattung ist ein „Fiepen“ des Rammlers bekannt. Letzteres will ich nicht über Herrn Hinterseer gesagt haben, aber bei Minusgraden ist läppisches Witzeln nachsehbar, weil durchblutungsfördernd.

Da die Nahrungspflanzen unter dem Schnee liegen, können Schneehasen jetzt nur Zweige, Rinde, Moos und Flechten fressen. Diese kalorienarme Nahrung produziert zwei Arten von Losung: festen faserreichen und weichen nährstoffreichen Kot. Letzterer wird nochmals gefressen und dann im Blinddarm von Bakterien verwertet.

Na ja, vielleicht will man doch nur aus dem Fenster schauen.

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