Großhirniges

Peter Iwaniewicz schreibt über die liebe Maus im Haus

Kolumnen, FALTER 1-2/2019 vom 08.01.2019

Eine kuriose Nachricht im neuen Jahr erinnerte mich wieder daran, dass impulsive Handlungen besonders dumm ausgehen, wenn man dabei auch noch ausspricht, was man denkt. In Australien alarmierten Passanten die Polizei, als sie in einem Haus ein Kind weinen und einen Mann gleichzeitig „Warum stirbst du nicht?“ rufen hörten. Der vermeintliche Kindsmörder war Arachnophobiker und äußerte diesen imperativen Wunsch aber nur gegenüber einer Spinne in seinem Haus. Die Polizisten kommentierten dies in ihrem Bericht aber nur lakonisch mit „Keine Verletzungen zu sehen (außer bei der Spinne)“. Ich wiederum merke dazu an, dass in allen Medienberichten nur Symbolfotos anderer Spinnenarten zu sehen waren.

Eine ähnliche Szene erlebte ich als Student, als mir ein Birdwatcher-Freund eine äußerst seltene Aufnahme mit dem Balzgesang eines Rotsternigen Blaukehlchens vorspielen wollte. Der Kassettenrekorder „fraß“ aber das Tonband. Darüber außer sich vor Zorn, prügelte der Vogelfreund mit einem Baseballschläger auf das am Boden vor dem offenen Fenster stehende Gerät ein und schrie lauthals: „Ich bringe dich um!“ Fünf Minuten später standen zwei Freunde und Helfer mit gezogener Waffe in der Wohnung.

Ein schönes Beispiel dafür, dass die Amygdala, der für emotionale Bewertung und Feindabwehr zuständige Hirnteil, schneller reagiert als die vernünftige Großhirnrinde.

Sehr emotional kann es auch zugehen, wenn man Tiere in seiner Wohnung entdeckt. Mäuse gehören dabei zu den Klassikern, die bei vielen Menschen heftige, bis zum Nervenzusammenbruch reichende Reaktionen auslösen können. Wenn es im Herbst viele Eicheln und Bucheckern gibt, dann steigt auch die Anzahl der Kleinsäuger und damit die Zahl der Anfragen, die Bekämpfungstipps einfordern. Meistens handelt es sich bei Mäusen, die in der Stadt in Wohnungen auftauchen, um Waldmäuse und nicht um die schon selten gewordenen Hausmäuse. Das ist insofern gut, als sie nur im Winter frostfreie Orte suchen und im Frühjahr wieder freiwillig verschwinden. Schafft man es, sich über die oben beschriebenen impulsiven Reaktionen zu erheben, dann kann man statt Stress und selbstzerstörender Maßnahmen durch Gifteinsatz schöne Erlebnisse finden. Waldmäuse kommen einzeln, sind sehr schlau und lassen sich mit Futter und Schlafmöglichkeit auch an den richtigen Stellen halten. Zeitlich befristete Haustiere, so geht Urbanität 2019!

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