„Wie soll es mit uns zu Ende gehen?“

Das Performancekollektiv Die Rabtaldirndln trifft auf die Mordschwestern von Lainz

FALTER:Woche, FALTER:Woche 50/2018 vom 11.12.2018

Foto: Nikola Milatovic

Über 200 Patienten und Patientinnen haben die sogenannten „Lainzer Mordschwestern“ in den 1980ern-Jahren getötet. Dann wurden sie entdeckt. Die Rabtaldirndln fragen in ihrem neuen Stück: Wie werden Menschen, die sich der Pflege Kranker verschrieben haben, zu Mördern? Seit 15 Jahren entwickeln die Steirerinnen humorvolle, zeitgenössische Performances und Theaterstücke. Die Rabtaldirndln sind nicht nur Kunstfiguren, sondern ein eigener Kosmos. Auf der Bühne werden die Schauspielerinnen zu den Provinzlerinnen Renate, Toni, Sonja, Marianna und Eva. In „Böse Frauen“ (Regie: Ed. Hauswirth) sucht das brachialfeministische Performance-Kollektiv nach Gemeinsamkeiten mit den sogenannten Todesengeln.

Falter: Wie kommen Sie auf die Lainzer Todesengel?

Rosa Degen-Faschinger: Sie verfolgen uns seit unserem ersten Stück, in dem es um herausragende Mordfälle ging. 2003 wurde eine der ehemaligen Pflegehelferinnen gerade aus dem Gefängnis entlassen. Wir haben damals nichts über die vier gemacht, aber der Fall hat uns nie ganz losgelassen.

Gudrun Maier: Es hat immer eine Art Nähe zwischen den Rabtaldirndln und den Mordschwestern gegeben.

Welche Gemeinsamkeiten konnten Sie denn feststellen?

Degen-Faschinger: So wie wir waren die mordenden Krankenschwestern ein eingeschworenes Frauenkollektiv, das es über Jahre geschafft hat, etwas geheimzuhalten. Dass da keine plaudert, ist schon erstaunlich. Gleichzeitig wurden sie beim Heurigen beobachtet, wie sie genüsslich einen Wein trinken und sich darüber unterhalten, wer das nächste Opfer sein wird. Dieses Makabere passt zu den Rabtaldirndln als Kunstfiguren, die ja auch behaupten einige Leichen im Keller zu haben.

Waren die Mordschwestern von

Grund auf böse?

Maier: Das ist nicht so einfach zu beantworten. Wir haben viele Interviews mit Pflegeheimleiterinnen geführt und es ist ein unglaublich harter Job. Aber die Lösung ist natürlich nicht, dass man einfach die Leute umbringt, die einem lästig sind.

Vielleicht wollten sie die armen, kranken Menschen erlösen?

Maier: Man könnte es schon als eine Art Sterbehilfe interpretieren, damit beschäftigen wir uns auch im Stück. Aber es geht uns eigentlich gar nicht so sehr um die Frage von Gut und Böse, sondern vielmehr darum, wie es mal mit uns zu Ende gehen soll.

Ist Sterbehilfe eine Option?

Maier: Am Anfang der Proben haben wir jede eine halbe Stunde mit geschlossenen Augen über den Tod monologisiert. Das war schön. Es gibt so unterschiedliche Einstellungen zum Tod und wie das Ende einmal kommen soll. Babsi blendet das Sterben zum Beispiel völlig aus und wenn es irgendwann wehtun sollte, will sie nach Amsterdam oder Zürich fahren. Bei mir ist es so, dass ich eher selbst Hand anlegen würde.

Das klingt alles nach ziemlich hartem Tobak. War die Vorbereitung für dieses Stück besonders schwer?

Degen-Faschinger: Im Gegenteil, das Thema ist sehr ergiebig. Jede von uns hat Erfahrungen mit dem Tod, sei es in der Familie, im Freundeskreis oder auch mit Haustieren. Es ist richtig aus uns herausgesprudelt. Aber natürlich denke ich mir manchmal während der Proben: Müsste ich zuschauen, täte es mir bei gewissen Szenen wahrscheinlich alles zusammenziehen.

Maier: Wir hatten etwa eine Pflegerin da, die uns gezeigt hat, wie man alte Menschen füttert oder wie man jemanden vom Liegen in den Rollstuhl bringt. Sie hat es mit mir vorgezeigt, das war für mich total arg. Wir werden jetzt ständig damit konfrontiert, dass wir irgendwann auf die Hilfe anderer angewiesen sein werden.

Vor dem Tod kommt die Pflege?

Maier: Die Menschen werden immer älter und das Thema ploppt ständig auf. Ein Pflegeskandal folgt dem anderen und wenn es kein Pflegeskandal ist, geht es um den Pflegeregress.

Degen-Faschinger: Vielleicht liegt es auch an unserem Alter. Wir haben alle Eltern, die langsam alt werden, und es stellt sich die Frage, wie wird das sein, wenn sie nicht mehr allein zurechtkommen. Wer wird sie pflegen, wer wird diese Arbeit machen? Ich glaube, ich bin sehr unzuverlässig. Wenn ich jemanden pflegen müsste, würde das ein paar Tage gut gehen. Aber dann würde ich anfangen, Dinge zu vergessen oder schleifen zu lassen. Ich glaube, dass es die zu Pflegenden nicht immer gut bei mir hätten. Da ist so eine Angst, dass ich darauf vergesse, dass sie essen müssen oder dass ich die Windeln nicht wechsle.

Wie wollen Sie denn alt werden?

Degen-Faschinger: Die Rabtaldirndln wollen zusammen in einem großen Bett alt werden.

Maier: Da drinnen müssen wir uns nicht mehr bewegen und nicht mehr performen, sondern wir lassen uns von anderen unterhalten und man bringt uns Kuchen ans Bett, bis wir tot

sind.


Studio Brut, 12. bis 18.12.

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