Kommen & Gehen

Peter Iwaniewicz führt Adventgespräche mit jungen Heiden

Kolumnen, FALTER 50/2018 vom 11.12.2018

Alle Jahre wieder! Zombiegleich erhebt sich jedes Jahr im Advent eine „Studie“ über wirbellose Tiere im Weihnachtsbaum: 25.000 Insekten und Spinnentiere sollen darin leben und so in die guten Stuben eindringen. Ein emotionales Thema, die Gesundheit von Kindern und Haustieren ist bedroht. Aber. Leider. Aktuell ist das nicht, 2012 wurden diese Zahlen erstmals veröffentlicht. Bjarte Jordal von der Universität Bergen in Norwegen beschäftigt sich mit der Beschreibung und Einordnung von Rüsselkäfern, ein selbst für Biologen wenig öffentlichkeitsrelevantes Arbeitsgebiet. Aber jenes Interview, das er vor sechs Jahren zu diesem Thema gab, wird vor Weihnachten immer wieder neu ausgegraben und weltweit als neue Er-kenntnis zitiert.

Details werden von den Medien aber nicht genannt: Unter der Borke überwinternde Insekten und Milben wachen zwar in der Wärme der Wohnzimmer auf, vertrocknen und verhungern aber schnell. Keine Gefahr für Menschen oder die Hygiene. Ende. Bleibt nur die Frage offen, wieso es manche Leute irritiert, dass trotz Insektensterbens noch immer kleine Tiere auf und in Pflanzen leben. Lustiger geht es in Haushalten zu, die zwar christliche Traditionen wie den Adventkranz übernehmen, aber nicht wissen, wie man sich dann passend verhält. Der heidnische Nachwuchs will zündeln und befeuert die Kerzen. Dann die Frage, ob man dazu ein Lied singt. Ein Ave-Maria wird angedacht, aber verworfen. Kind eins will wissen, ob Jesus auch die bei Menschen üblichen 268 Tage in seiner Mutter verbracht hat oder sich dank Gottespower schneller entwickelt hat. Schweigen. Oder sollte eine Gottheit dafür nicht sogar besonders lange brauchen? Wo doch eine Pferdemutter durchschnittlich 336 Tage mit ihrem Fohlen schwanger ist. Die Sprachpolizei greift ein: Das heißt bei Säugetieren Trächtigkeit! Darauf folgt sofort eine Retourkutsche mit Biologentest: Dann weißt du ja sicher auch, welches Tier am längsten trächtig ist? Die Giraffe mit bis zu 450 Tagen. Smartphones werden gezückt: Stimmt gar nicht, der Afrikanische Elefant braucht sogar 722 Tage! Trumpfass wird gezogen: Der Alpensalamander ist lebendgebärend und braucht im Gebirge bis zu 1100 Tage für seinen Nachwuchs. Das Gespräch driftet in eine feministische Debatte über schwangere männliche Lebewesen wie das Seepferdchen ab. Halleluja! Oder wie sagt man an Adventsonntagen?

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