„Ich bin ja nicht Lagerfeld“

Roland Kaiser ist Schlagersänger und politisch wacher Zeitgenosse in Personalunion

FALTER:Woche, FALTER:Woche 49/2018 vom 04.12.2018

Foto: Sandra Ludewig

Am Anfang gab er den Hallodri. Seinen ersten Hit landete Roland Kaiser 1977 mit „Sieben Fässer Wein“, einem akustischen Polterabend. Das Lied hat er längst aus seinem Repertoire verbannt, ist er doch über die Jahre zum Gentleman des Schlagers gereift. Ein wenig Spiel mit dem Feuer ist aber noch drin, viele seiner Lieder handeln von verbotener Liebe („Manchmal möchte ich schon mit dir“). Abseits der Bühne ist Kaiser aufrechter Sozialdemokrat und mit einem trockenen Humor ausgestattet.

Falter: Herr Kaiser, Sie treten stets in feinstem Zwirn auf. Wie kam es dazu?

Roland Kaiser: Das stammt noch aus der Zeit der „ZDF Hitparade“. Wir Interpreten mussten vor der Aufzeichnung beim Regisseur die Bühnen-Outfits präsentieren. Meist hieß es: „Wie sieht das denn aus? Kauf dir was Neues!“ So habe ich mich schon um 1980 für eine zeitlose Linie entschieden. Zu Hause trage ich aber auch Jogging-Anzug, ich bin ja nicht Lagerfeld.

„Warum hast du nicht nein gesagt?“, Ihr Duett mit Maite Kelly, ist mit 90 Millionen Youtube-Aufrufen einer der erfolgreichsten Schlagersongs. Was hat er, was andere nicht haben?

Kaiser: Wenn ich vorher wüsste, was funktioniert, würde ich nur noch Erfolge feiern. Bei dem Lied haben wohl alle Faktoren gepasst. Auch das Video, das unter erschwerten Bedingungen gedreht wurde. Maite war im neunten Monat schwanger, ich bin ein alter Mann – wir mussten junge Leute holen, die das Pärchen im Lied darstellen. Bei den paar Aufnahmen, in denen wir doch zu sehen sind, war nur wichtig, dass das Licht von oben kommt, damit man kein Doppelkinn und keine Falten sieht. Eine Frau aus Dänemark schrieb als Kommentar: „Super Video, tolles Pärchen und auch das ältere Ehepaar ist sehr nett.“

Apropos: „Wir gehen durch die Zeit“, ein Song ihres letzten Albums, ist der rare Fall eines Schlagers, der nicht von flüchtigem Glück, sondern einer langjährigen Beziehung handelt.

Kaiser: Ich bekam den Titel angeboten und fand ihn faszinierend. Wir leben in einer Zeit, in der wir nicht mehr reparieren. Wir tauschen aus. Wenn es nicht klappt, trennt man sich halt. Ich finde, es lohnt sich, für eine Beziehung zu kämpfen. Wenn man gemeinsam Höhen und Tiefen übersteht, erwächst daraus eine ganz besondere Beziehung.

Stichwort Schlagerboom: Kommt durch Helene Fischer auch neues Publikum zu Ihnen?

Kaiser: Das Publikum war früher schon weniger homogen, als man dachte. In den letzten Jahren hat sich das tatsächlich nochmal gesteigert. Ich merke auch, dass mich die Presse ernster nimmt. Dabei war die leichte Unterhaltung immer schon die schwierigste.

Nach welchen Kriterien stellen Sie Ihr Liveprogramm zusammen?

Kaiser: Ich hatte im Laufe der Jahre zum Glück einige Erfolge. Die Leute erwarten zu Recht, dass ich „Santa Maria“ oder „Dich zu lieben“ singe. Manchmal nützen sich die alten Versionen für mich ab, darum versuchen wir bei einigen Liedern neue Arrangements oder kleine Brechungen. Ein bisschen Überraschung soll dabei sein.

In den vergangenen Jahren sind Sie mehrfach als politisch denkender Zeitgenosse in Erscheinung getreten, etwa mit einer Rede gegen Pegida. Was hat Sie geprägt?

Kaiser: Ich habe in meinen jungen Jahren bemerkt, dass die Idee der Sozialdemokratie für mich die schönste Form der Gesellschaft ist. Ich bin ein Freund der sozialen Marktwirtschaft. Leider haben sich die Gewichte zu Ungunsten der Arbeitnehmer verschoben. Für unsere SPD gilt wie für eure SPÖ, dass sie sich erneuern muss.

Wie soll man mit Rechten umgehen?

Kaiser: Höflich im Ton, aber hart in der Sache. Das ist die einzige Chance, die man hat.

Wie sehr darf Ihre Gesinnung in Ihre Arbeit einfließen?

Kaiser: In Interviews rede ich gerne über Politik. Auf der Bühne hingegen gebe ich diesbezüglich keine Statements ab. Mein Publikum kommt in die Konzerte, um zwei Stunden abschalten zu können. Danach will ich es mit einem guten Gefühl nach Hause schicken.

Sie machen einen sehr ruhigen und bodenständigen Eindruck. Wie passt das zur großen Bühne?

Kaiser: Im ersten Moment wirkt das widersprüchlich. Aber es ist ganz gesund, so zu sein. Ich bin einer von vielen, die meiste Zeit zumindest. Als Vater und Ehemann muss ich den ganzen Tag normale Dinge tun. Da passt es nicht, wenn man sich zu wichtig nimmt. Den Applaus betrachte ich als temporäres Erlebnis, ich nehme ihn nicht mit ins Bett.

Mit 66 sind Sie nach Udo Jürgens im besten Alter. Welchen Wunsch haben Sie sich noch nicht erfüllt?

Kaiser: Eine kleine Clubtour, wo ich jeweils vor nicht mehr als zwei- oder dreihundert Leuten auftrete. Der Running Gag ist, dass mein Manager sagt: „Ja, Roland, das machen wir. Nächstes Jahr.“ Und im Jahr darauf sagt er es wieder.


Wiener Stadthalle, Halle D, So 19.30

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