„Es geht uns allen an den Kragen“
Der Komponist Johannes Maria Staud über seine Oper „Die Weiden“. Das politisch brisante Werk gegen die Renaissance des Nationalismus wird dieser Tage an der Wiener Staatsoper uraufgeführt
Foto: Heribert Corn
Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Die Staatsoper spielt ein zeitgenössisches Stück. Das kam in den letzten Jahren schon vor, aber diesmal ist alles anders. Das Auftragswerk „Die Weiden“ des österreichischen Komponisten Johannes Maria Staud und des deutschen Dichters Durs Grünbein (siehe Kasten Seite 27) ist politisch, aber nicht plump agitatorisch. Es setzt sich mit Nationalisierung und dem Missbrauch von Begriffen wie Heimat vor dem Hintergrund einer drohenden Naturkatastrophe auseinander.
Ausgehend von der Ermordung von hunderten Juden an der Donau in den letzten Kriegstagen 1945, inspiriert durch Horrorfilme, Fantasyromane, „gefährliche“ (J. M. Staud) Bücher reaktionärer Autoren und die Musik umstrittener Komponisten, hat das Autorenduo ein hochaktuelles Stück Musiktheater geschaffen. Die Philosophin Lea, eine junge jüdische Frau, bricht auf, um ihre Vorfahren zu suchen. Vergebens warnen sie die Eltern vor jenen gruseligen Gegenden am großen Fluss, wo sich die Anwohner in Fischwesen verwandeln, die „gegen alles Fremde, Andersstämmige und Nicht-Zugehörige mobilmachen“. So die Ankündigung der Staatsoper.