„Widerstand“ von links und rechts

Vor 70 Jahren wurden die Menschenrechte erklärt: This Human World zeigt den heutigen Stand

FALTER:Woche, FALTER:Woche 48/2018 vom 27.11.2018

Rechte Patrioten in „The Venerable W.“ und „When the War Comes“, die Titelheldinnen von „A Woman Captured“ und „Amal“ (Fotos: This Human World 2018)

Ein Uniformierter schleift ein Mädchen an den Haaren über den Tahrir-Platz. Es ist das Jahr 2011, die Proteste gegen das Regime des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak erreichen den Höhepunkt. Die brutalen Videobilder sind ein wiederkehrendes Motiv des Dokumentarfilms „Amal“ von Mohamed Siam, mit dem die elfte Ausgabe des Menschenrechts-Filmfestivals This Human World in Wien eröffnet.

Amal heißt Hoffnung – und Amal heißt auch besagtes Mädchen, das im Mittelpunkt dieses Films steht. Gekleidet wie ein Bub, in Jeans und Hoodie und mit einer Spraydose bewaffnet, legt sie sich mit Burschen, die ihr blöd kommen, genauso an wie mit der Polizei; nicht mal ihre eigene Mutter bleibt von Kritik verschont. „Tu, was du willst“, hat ihr Vater sie gelehrt, „und fürchte dich nicht.“ Nebenbei erzählt der Film, der Amal vom 15. bis zum 20. Lebensjahr begleitet, von den quasi revolutionären Nachwehen in Ägypten, die bis heute fortdauern.

Mehr als 100 Filme stehen von 29. November bis 10. Dezember auf dem Programm. Darunter ausgezeichnete Frauenporträts wie „Silvana“ über die schwedische Rapperin und Aktivistin Silvana Imam oder „A Woman Captured“ über eine Frau namens Marish, die ein Dasein als Leibeigene einer ungarischen Familie fristete; künstlerische Avantgarde-Dokus à la „“ von Fiona Rukschcio und Special Screenings bildgewaltiger aktueller Kinoarbeiten wie „Welcome to Sodom“ über eine illegale Elektromülldeponie in Ghana. Es solle informieren, sensibilisieren, schockieren und vor allem animieren, schreiben die Festivalleiter Lara Bellon und Michael Schmied zum Programm: „Ungerechtigkeiten nicht als gegeben hinzunehmen, sondern Widerstand zu leisten, ist keine Frage des Anstands, sondern eine Pflicht.“

Dem würden gewiss auch Peter Svrcek und seine Kameraden zustimmen, die Jan Gebert in „When the War Comes“ porträtiert. Aus nächster Nähe beobachtet der Film die paramilitärischen Slovenski Branci (slowakischen Rekruten), die sich regen Zulaufs erfreuen und mit Wehrsportübungen auf kommende Einsätze zur Verteidigung der Heimat – insbesondere gegen die Europäische Union und deren Flüchtlingspolitik – vorbereiten.

„Wir hätten die Maschinenpistole mitnehmen sollen“, witzelt einer der Führer, als man auf der Landstraße eine Flüchtlingskolonne überholt. Tatsächlich endet der Film mit einem Shooting, allerdings einem Foto-Shooting: Der milchgesichtige Svrcek nämlich fühlt sich zum Politiker berufen und wirft sich für ein Plakatsujet entschlossen in Denkerpose – „wie Stalin!“.

Dass es um einen Begriff wie Widerstand heute prekär bestellt ist, macht wohl kein Film deutlicher als „#Widerstand“ von Britta Schöning, dessen drei Protagonistinnen jeweils etwas ganz anderes darunter verstehen dürften. Helena, 18, ist freiwillige Helferin im City Plaza, einem besetzten Hotel für Flüchtlinge in Athen. Aicha aus Berlin ist gleichfalls 18, Muslimin, trägt Kopftuch und macht sich in Poetry-Slams gegen rassistische Diskriminierung stark. Ingrid aus Wien schließlich ist 24, gehört den Identitären an und macht fleißig Stimmung gegen Multikulti und Migranten.

Entwickelt wurde die aufrüttelnde Doku an der Filmakademie Baden-Württemberg, womit sich der Trend bestätigt, dass Studierende an deutschen Filmhochschulen – wie zuletzt Lion Bischof mit „Germania“ oder Pablo Ben-Yakov mit „Lord of the Toys“ – die berüchtigte Komfortzone verlassen und vermehrt dort hingehen, wo es richtig wehtut.

Nicht alle Filme, die im Programmheft als „Österreich-Premiere“ angekündigt werden, sind tatsächlich solche, manche liefen bereits im selben Top- oder Schikaneder-Kino wie jetzt bei This Human World. Umso verdienstvoller jedoch etwa die Premiere von „The Venerable W.“ des Regie-Giganten Barbet Schroeder.

Auch der „ehrwürdige“ buddhistische Mönch Wirathu leistet quasi Widerstand, und zwar gegen Muslime, die sein Heimatland Myanmar bedrohen. Dass die sogenannten Rohingya lediglich vier Prozent der Bevölkerung ausmachen, ändert nichts an seinen Überzeugungen: Rasse und Religion müssen erhalten, Muslime aus der Gesellschaft abgesondert und um ihre Lebensgrundlagen gebracht werden.

2013 schaffte es der Mann mit seinen Aufrufen zum Genozid bis aufs Cover des Time-Magazins (Titel: „The Face of Buddhist Terror“). Aung San Suu Kyi indes, Friedensnobelpreisträgerin und Staatsberaterin des Landes, hält den Vorwurf der „ethnischen Säuberung“ bis heute für überzogen.


29.11. bis 10.12., u.a. im Top- und Schikaneder-Kino. Information: www.thishumanworld.com

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