Hühnerweitflug

Peter Iwaniewicz findet Kiwi-Schneeballschlachten auch nicht lustig

Kolumnen, FALTER 48/2018 vom 27.11.2018

Dunkle Zeiten. Die Sonne geht jetzt gefühlt schon kurz nach Mittag unter und auch die Tagespolitik lässt vielfach nur trübe Gedanken aufkommen. Doch dann blitzt hin und wieder ein kleiner Sonnenstrahl durch das düstere Mediengewölk. Im Gerichtsprozess gegen die Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger wurden die ausufernden Finanzierungswünsche der Politiker an die Telekom besprochen. Auf die Frage der Richterin, welche der vielen Forderungen „skurril oder lustig“ gewesen seien, wurde das Sponsoring für einen Hühnerweitflug-Wettbewerb des ehemaligen Verkehrsministers Mathias Reichhold genannt. Die Richterin amüsierte sich laut medialer Berichterstattung „köstlich“ über die Schilderung und ging dann zum Lachen nicht in den Keller, sondern in eine kurze Prozesspause.

Würden auch Hühner darüber lachen? So etwas klingt ja auch ein bisschen wie der zweifelhafte Jahrmarktsspaß des „Zwergenwerfens“, wo kleinwüchsige Menschen auf gepolsterte Matten geschleudert werden. Seltsamerweise findet man nicht einmal auf der Videoplattform Youtube ein Beispiel, wie so ein Wettkampf, wo Hühner – die bekanntlich Laufvögel sind – zum Weitflug motiviert werden.

Denn unsere Haushühner können nicht wirklich fliegen. Flatternd können sie bei größeren Sprüngen etwas in der Luft gleiten, doch diese „Flüge“ dauern nur wenige Sekunden. Angeblich soll der längste dokumentierte Flug eines Huhns 13 Sekunden gedauert haben. Aus Sicht jener Menschen, die Hühner im eigenen Garten halten, ist vielmehr die Frage wichtig, wie hoch Hühner fliegen können. Wildlebende Hühnervögel ziehen sich nächtens auf Bäume zum Übernachten zurück. Ein von Flügelschlägen unterstützter Sprung bringt sie auf die unteren Äste, zwei Meter hoch sollte daher der Zaun zumindest sein.

Auch wenn Haushühner zahlenmäßig die größte Gruppe unter allen Haustieren darstellen, wissen wir oft wenig über diese Tiere. Jeden Tag leben auf der Welt etwas mehr als 20 Milliarden dieser Tiere, die die menschliche Weltbevölkerung damit um mehr als das Dreifache überfliegen. Ein langes Leben ist ihnen aber nicht erlaubt, jährlich werden deutlich mehr Hühner, als der durchschnittliche Bestand ausmacht, geschlachtet: 45 Milliarden!

Das ist jetzt wiederum nicht so lustig, zumindest dann nicht, wenn man ein Huhn ist.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Alle Artikel der aktuellen Ausgabe finden Sie in unserem Archiv.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!