Teenstar-Leaks stellen Aufklärungsarbeit an Pflichtschulen in Frage

Interne Schulungsunterlagen zeigen auf, wie erzkonservative Kirchenkreise an Schulen missionieren

Presseaussendung vom 20.11.2018

Der FALTER berichtet in seiner am Mittwoch erscheinende Ausgabe über geheime, interne Schulungsunterlagen des Vereins „Teenstar“ zur Ausbildung als Teenstar-Kursleiter. Diese Kursleiter bieten an Mittelschulen österreichweit Aufklärungskurse und Workshops an. Schwerpunktmäßig ist der Verein in Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich sowie Südtirol aktiv.

Die internen Ausbildungsunterlagen stehen im Widerspruch zum Erlass für Sexualpädagogik des Bundesministeriums für Bildung aus dem Jahr 2015. Trotzdem ist Teenstar nach wie vor aktiv. Nur der Landesschulrat Salzburg hat die Zusammenarbeit mit ihm verboten.

Der Grundsatzerlass Sexualpädagogik schreibt eine „respektvolle Haltung gegenüber den verschiedenen Formen von Sexualität und geschlechtlichen Identitäten“ vor. Aber in den Teenstar-Unterlagen wird Sex vor der Ehe problematisiert, Homosexualität als tendenziell heilbar dargestellt und jungen Mädchen die „natürliche Empfängnisregelung“ mit Menstruationstabellen nahegelegt.

So sollen etwa folgende Fragen den Jugendlichen gestellt werden, wenn sie schon Sex haben: „Was bedeutet Geschlechtsverkehr? Es ist die tiefste Art, JA zum anderen zu sagen. Dieses JA-Sagen geschieht auch durch den Schritt der Eheschließung. Wenn ihr euch so sehr liebt, warum heiratet ihr nicht gleich? Wenn nicht, warum habt ihr dann Geschlechtsverkehr?“ Anmerkung im Kursblatt: „Ist keine OFFENE Frage! Ist manchmal angebracht und hilfreich!“ An anderer Stelle findet sich der Hinweis, wie sehr die „Hinführung des Verstehens, dass die Ehe der geeignetste Platz für Geschlechtsverkehr ist, ein wichtiges Ziel der Teenstar-Arbeit“ ist.

In den Unterlagen heißt es weiter: Wer masturbiere, leide unter möglichen Folgen wie „Ich-Bezogenheit, Gewöhnung und Schuld- bzw. geringes Selbstwertgefühl“. Unter dem Punkt „Muss Homosexualität Schicksal sein?“ heißt es: „Aktuelle Studien zeigen, dass eine anhaltende Veränderung der sexuellen Orientierung sehr wohl möglich ist, oft durch eine Kombination von Therapie, speziellen Selbsthilfegruppen und geschulter Seelsorge.“

Die Ausbildungsunterlagen – insgesamt zwei Ordner mit mehreren hundert Seiten, datiert mit Jänner 2017 – wurden von einer Whistleblowerin der HOSI Salzburg zugespielt, die sie dem FALTER zur Verfügung stellte. „Die Ansicht, dass Homosexualität eine Identitätsstörung ist, die geheilt werden kann, war schon in den 1990er-Jahren veraltet“, sagt Paul Haller, Geschäftsführer der Hosi Salzburg.

Teenstar Österreich Leiterin Helga Sebernik behauptet in einer Mail an den FALTER am Montagnachmittag, nach Redaktionsschluss, dass die Unterlagen nicht die aktuellen seien und laufend aktualisiert würden.

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) sagt dem FALTER auf Anfrage, dass es in seinem Ministerium derzeit noch keinen Überblick gäbe, an welchen Schulen und in welchem Ausmaß Teenstar aktiv sei. Dafür seien die Landesschulräte zuständig. Deswegen will er nun, dass „alle Landesschulräte in diesem Schuljahr alle sexualpädagogischen Angebote, die von außen kommen, melden.“

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