Der totale Künstler
Der Filmemacher Rainer Werner Fassbinder ist der Inbegriff künstlerischer Verausgabung. Das Filmmuseum präsentiert ein Werk, das 36 Jahre nach dem Tod des Regisseurs in Vergessenheit zu geraten droht
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Er galt als Wunderkind des Neuen Deutschen Films, gleichzeitig als Agent provocateur des Kulturbetriebs. Rainer Werner Fassbinder, der produktivste Theater- und Filmemacher seiner Generation, machte es sich zur Gewohnheit, sämtliche von Kritikern oder Produzenten in ihn gesetzte Erwartungen zu unterlaufen. Seine konsequente Unberechenbarkeit war eine künstlerische Strategie, die er einmal lapidar in dem Satz zusammenfasste: „Egal, was ich mache, die Leute regen sich auf.“
Mit seinen Filmen brachte Fassbinder die konservative Presse genauso gegen sich auf wie die orthodoxe Linke und die Schwulenverbände. Nie aber hat er mehr aufgeregt als 1975 mit seinem Stück „Der Müll, die Stadt und der Tod“, dessen Premiere durch eine Besetzung der Bühne, organisiert von Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde Frankfurts, verunmöglicht wurde. An einer Nebenfigur des rasch hingeworfenen Texts, des „reichen Juden“, der quasi im Auftrag der Stadtväter ein altes Wohnviertel zerstört, um Platz für Büroneubauten zu schaffen, entzündete sich eine Kontroverse, die auch noch Jahrzehnte später immer wieder aufflammte.