„Ich spür da was, spürst du es auch?“

Das Popfest macht den Karlsplatz für vier Tage zur Konzertbühne. Was Sie nicht verpassen sollten

FALTER:Woche, FALTER:Woche 30/2018 vom 24.07.2018

Foto: Tina Bauer

Coole Junge und alte Helden. Oder aber auch: Coole Alte und junge Helden. Sowie natürlich: junge Heldinnen. Katharina Seidler und Nino Mandl fällt es nicht schwer, das Dutzende Einträge umfassende Popfest-Programm auf einen markanten Nenner zu bringen. Coole Junge und alte Helden eben. Oder – siehe oben. Nur eine Frage kann das heuer für die Auswahl der auftretenden Musikerinnen, Musiker und Bands verantwortliche Duo nicht mehr hören. Ob das überhaupt alles Pop sei? Und ob bei den teils disparaten künstlerischen Ansätzen zwischen Dialektliedermachertum und Klangkunst, sprödem Do-it-yourself-Gelärme und dem Traum von der Weltkarriere nicht eigentlich andere Begrifflichkeiten nötig wären?

Nein, sind sie nicht, sagen Mandl, der unter seinem Künstlernamen Der Nino aus Wien selbst zu den Größen im aktuell so prosperierenden österreichischen Pop gehört, und Seidler, die FM4-Redakteurin, Falter-Partykolumnistin und renommierte Szenekennerin.

„Kuratieren bedeutet bei uns nicht, ein Line-up von zwei getrennten Positionen aus zu planen und sich dann via Schnittmengen, Reibungsflächen, Synergien in eine gemeinsame Mitte zu hanteln“, erklären die beiden ihren Ansatz. „Die Frage, um die es geht, ist im Grunde ganz einfach: Ich spür da was, spürst du es auch?“

Dieses „Spüren“ braucht eben nicht unzählige unterschiedliche Fein- und Feinstschubladen, auf denen Genrespezialzuschreibungen stehen. Pop ist vielschichtig, vielfältig und bunt, Pop kann Kunst sein oder aber auch banale Unterhaltung, Pop kann die Welt verbessern wollen oder helfen, die Augen vor ihr zu verschließen.

Genau diese Vielfalt haben Seidler und Mandl eingefangen, fokussiert auf die junge österreichische Musikszene. Denn dafür steht das viertägige Popfest, das seit 2010 von der Stadt Wien mit knapp 200.000 Euro gefördert und bei freiem Eintritt durchgeführt wird: Dem Nachwuchs eine Bühne zu bieten – sowie gleichzeitig auch den alten Hasen (und Häsinnen) Wertschätzung zu zeigen.

Los geht es heuer ungewöhnlich. Kein Konzert steht am Beginn, sondern ein Kinofilm und eine Gedenkveranstaltung: Im Stadtkino im Künstlerhaus dreht sich am Donnerstag ab 16 Uhr alles um den kürzlich verstorbenen Drahdiwaberl-Mastermind Stefan Weber. Auf der sogenannten „Seebühne“, der großen Open-Air-Bühne vor der Karlskirche, setzt es anschließend ein packendes Kalt-Warm-Programm: Dives, die coolste junge Indieband des Landes, gefolgt von den Klagenfurter Weltschmerzpop-Oldies Naked Lunch und der Hip-Hop und Dancepop einenden jungen Heldin Mavi Phoenix.

Auch die kleineren Bühnen tönen facettenreich: Im Wien Museum gibt es Dialektlied (Lukas Antos, Paul Plut) und Düsterpop (Monsterheart), im TU Kuppelsaal Indie-Schwelgerei (Hearts Hearts) und kunstvolle Schwermut (David Schweighart), im TU Prechtlsaal Krawalliges unterschiedlicher Detailausprägung.

Am Freitag steht die Seebühne unter dem Motto „Rock“, etwa mit Kreisky, den Blues-Romantikern Ash My Love und den 90s-Wiedergängerinnen Aivery. Im Kuppelsaal geht es Kunstig-Elektronisch zu (Sea Urchin, Jung An Tagen), im Prechtlsaal regieren elektronische Beats und Sprechgesang, etwa von AliceD und Mala Herba.

Rap prägt am Samstag die Seebühne, mit Esrap, Kreiml & Samurai sowie Kroko Jack. Im Theater Akzent loten der virtuose Liedermacher-Feingeist Felix Kramer sowie die herrliche Weird-Folk-Weltenbummlerin und Voodoo-Jürgens-Akkordeonistin Alicia Edelweiss Gegensätze aus; im Prechtlsaal regiert die Vielfalt auf Gitarrenbasis, etwa mit Melt Downer und Snoww Crystal. Für drei Uhr morgens ist dort, ein Popfest-Novum, ein „Überraschungskonzert“ angekündigt. Das Gerücht, es würde sich womöglich um Tocotronic handeln, die sich wegen eines Arena-Open-Airs in der Stadt befinden, muss an dieser Stelle leider zerstreut werden. Aber womöglich tauchen ja Nino Mandls alte Hawerer Wanda auf?

Am Sonntag klingt das Popfest mit vier Konzerten in der Karlskirche aus, darunter die Avantgardepop-Hoffnungsträgerin Farce und Andreas Spechtl von Ja, Panik. Im Karlsgarten gibt es am Abschlusstag erstmals eine Lyrik-Bühne, im Wien Museum finden am Wochenende wie gehabt die „Popfest Sessions“ mit diversen Diskussionsrunden statt und einen „Wiener Label- und Vinylmarkt“ gibt es parallel dazu auch noch.

Popfest Wien: 26. bis 29.7., www.popfest.at

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