„Demokratie ohne Streit gibt es nicht“
ORF-Moderatorin Susanne Schnabl über den Lärm der Empörer und das Schweigen der Mitte
Foto: Heribert Corn
Die öffentliche Debatte ist gehetzt, schrill und gehässig geworden. Dabei werden die Lauten an den Rändern gehört, während die Mitte auseinanderdriftet oder sich in Schweigen einmauert. Die ORF-Journalistin und „Report“-Moderatorin Susanne Schnabl hat ein Buch mit dem Titel „Wir müssen reden“ geschrieben, in dem sie beklagt, dass das gesellschaftliche Gespräch, geführt über die klassischen Medien und Onlinekanäle, zunehmend von einer ritualisierenden Erregung dominiert wird, die mehr und mehr die Zwischentöne verliert. Dabei werde die einfachste Grundregel der Kommunikation ignoriert: Dem anderen zuhören und zuerst nachdenken, bevor man sich ein Urteil bildet.
Falter: Was war der Anstoß zu Ihrem Buch?
Susanne Schnabl: Ein Anstoß war die Polarisierung im Zuge der Flüchtlingskrise. Da war eine neue Unerbittlichkeit zu spüren. Es gab die Helfer und jene, die das ablehnten. Die wechselseitige Kritik der beiden Lager bestand aber nicht in Argumenten, sondern in Vorwürfen, die auch an uns Journalisten gerichtet waren. Da ging es nicht nur um die gegensätzlichen Meinungen selbst, sondern die Frage, warum wir dem jeweils anderen überhaupt ein Forum bieten, seine Meinung zu sagen. Zudem bestand eine Diskrepanz in der Kritik an uns Journalisten und dem seither steigenden Publikumszuspruch, der sich in einem Zehnjahreshoch befindet. Ich habe mich gefragt: Wo ist die schweigende Mitte?