Oscar 2018: Der Goldjunge ist 90!

Am Sonntagabend werden in Los Angeles die begehrtesten Filmtrophäen der Welt verliehen

Michael Omasta, Sabina Zeithammer
FALTER:Woche, FALTER:Woche 9/2018 vom 27.02.2018

Oscar-nominiert: „The Post“ (Foto: UPI)

Man mag über die Oscars und die oft abenteuerlichen Entscheidungen der gut 7000 Mitglieder der amerikanischen Filmakademie schimpfen oder beim Rennen um die Trophäen mitfiebern: In puncto Spektakel sticht die Gala, die heuer zum 90. Mal stattfindet, nach wie vor jede andere Preisverleihung aus. Grund genug, ein paar der wichtigsten Nominierungen vorab Revue passieren zu lassen.

Der Nominierungskaiser

Ob 13 doch eine Glückszahl ist, wird sich für „The Shape of Water“ weisen: Guillermo del Toros bezaubernd-atmosphärische Arbeit konnte heuer die meisten Nominierungen einheimsen. Die etwas glatte, aber warmherzige Geschichte über Courage, Toleranz und Liebe hat gute Chancen, wenn Märchen für Erwachsene in L.A. heuer Trumpf sind.

Go for the Message

Die Wahl aus den neun starken Filmen, die ums „Best Picture“ rittern, wird extrem spannend. Wir setzen auf das Historiendrama „The Post“. Zwar konnte Steven Spielberg sich’s nicht verkneifen, hie und da zu dick aufzutragen, doch die hochaktuelle Botschaft und die Bandbreite an Themen überzeugen: Whistleblowing, Pazifismus, Fake News, Pressefreiheit und die ewige Frage nach der Gleichbehandlung der Geschlechter.

Beste Außenseiterin

Frauen haben in der Academy nicht viel zu gewinnen, und wenn sie Regie führen, schon gar nicht. Schauspielerin Greta Gerwig hat dennoch die Seite gewechselt und ist für ihr Debüt „Lady Bird“ prompt als beste Regisseurin nominiert worden. So sehr wir ihr den Oscar auch wünschen, so sehr bangen wir mit ihren Fans, dass Gerwig künftig dann mehr Zeit hinter der Kamera verbringen könnte als vor ihr. „Geht gar nicht“, würde Gerwigs Titelfigur aus „Frances Ha“ (2012) sagen.

Analoge Rettung

„Mit einem Rückzug“, so Churchill 1940 über Dünkirchen, „gewinnt man keinen Krieg“. An diesen Satz dürften sich Regisseur Christopher Nolan und sein Kameramann Hoyte van Hoytema erinnert haben, als sie ihr Weltkriegsepos drehten: mit analogem Filmmaterial, das von der Industrie schon entsorgt worden wäre, hätten Cineasten wie Nolan nicht ihre Liebe zum 70-mm-Format wiederentdeckt. Schon für die beherzte Kampfansage gegen die Ausschließlichkeit der digitalen Laufbilder gebührt „Dunkirk“ der Preis für die beste Kamera.

Des Kino brauch ma ned!?

Für Kinoaficionados ist es schon seltsam, wenn ein Netflix-Film für vier Oscars nominiert ist. Der Streamingdienst schnappte den Kinoverleihern das Drama „Mudbound“ weg. Schade, denn das Werk, das vom Schicksal zweier Südstaatenfamilien – eine schwarz, eine weiß – rund um den Zweiten Weltkrieg erzählt, gehört auf die große Leinwand. Regisseurin Dee Rees und Virgil Williams nahmen sich des gleichnamigen Romans von Hillary Jordan an: dafür den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch.

Grimmend erglimmen

Frances McDormand legt als Hauptdarstellerin in „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ eine Performance hin, die unvergesslich ist. Mit dem warmen Licht einer Magnesiumfackel erglimmt ihre Mildred, Mutter eines ermordeten Mädchens, in einem Zorn, der eine ganze Kleinstadt aufscheucht. Darunter ein Herz voll Trauer, das McDormand meisterlich durchschimmern lässt.

Schauen und kauen

Drei hat er schon, doch spricht das eher dafür, sein (angekündigtes) Karriereende mit einem vierten Oscar als bester Hauptdarsteller zu krönen: In „Phantom Thread“ spielt Daniel Day-Lewis einen neurotischen Couturier, dessen Blicke fast töten können. Dies haben sie mit einem Pilzomelette gemein, das Day-Lewis Oscar-reif kaut. Gebt’s ihm halt noch einen!

Der dokumentarische Faktor

Im November erhielt Agnès Varda, 89, bereits einen Ehrenoscar. Mit „Visages Villages“ (Co-Regie: Street-Art-Künstler JR) ist die belgisch-französische Filmemacherin nun auch für den besten Dokumentarfilm nominiert. Bei uns kommt ihr gewitztes Roadmovie erst im Frühsommer in die Kinos.

Was fehlt: Beste historische Figur

Spielbergs „The Post“ degradiert ihn zur Nebenfigur. Dabei hätte Daniel Ellsberg, der 1971 geheime „Pentagon Papers“ an die Presse weiterspielte und damit wesentlich zum Ende des Kriegs in Vietnam beitrug, sich als Figur der Zeitgeschichte eine eigene Trophäe verdient: einen Oscar dem Whistleblower!

Die Oscar-Nacht im Gartenbaukino am 4.3.: Filmprogramm ab 12 Uhr, Red-Carpet-Show und Live-Übertragung der Gala nachts ab zwei Uhr

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