„Es muss nicht immer größer werden“

Vor seinem Konzert im Gasometer blickt Voodoo Jürgens auf ein ereignisreiches Jahr zurück

FALTER:Woche, FALTER:Woche 48/2017 vom 28.11.2017

Foto: Wolfgang Bohusch

Im Frühjahr 2016 galt Voodoo Jürgens als Geheimtipp, daheim in den kleinen Clubs dieser Stadt. Als sein Debüt „Ansa Woar“ im Herbst von null auf Platz eins in die Charts einstieg, war der Wiener Dialektpop-Geschichtenerzähler mit Tullner Wurzeln plötzlich in aller Munde. Dann wurde er fünfmal für den Musikpreis Amadeus nominiert und reüssierte im Stefanie-Sargnagel-Stück „Ja, eh!“ auch noch am Theater. Nun spielt der 34-Jährige mit seiner Band Ansa Panier im Gasometer; Naked Lunch und Adam Green treten ebenfalls auf.

Falter: Herr Jürgens, wie war Ihr Jahr?

Voodoo Jürgens: In erster Linie bin ich viel unterwegs gewesen, gerade der Sommer war mit rund 40 Konzerten heftig. Live zu spielen war mir aber ohnedies immer das Liebste, daher hat das schon gepasst.

Gab es auch absurde Momente?

Jürgens: Absurd ist, dass es auch in Deutschland funktioniert: Wir sind vom tiefsten Osten bis an die französische Grenze gekommen, und überall gab es Leute, die sich dafür interessieren. Auch wenn es nach Konzerten manchmal hieß: „Ich habe wenig bis gar nichts verstanden, aber es war trotzdem super!“ Eine Zeitlang habe ich zu Beginn gesagt: „Es wird euch wie bei Eros Ramazzotti gehen, ihr werdet nichts verstehen.“ Aber ich denke, man kann die Lieder auch ohne Ahnung vom Wiener Dialekt irgendwie fassen.

Sie haben vor einer Handvoll Leuten in der Subkultur begonnen. Fühlen Sie sich auf den großen Bühnen wohl?

Jürgens: Es muss nicht immer größer werden, und ich möchte auch nichts so zuschleifen, dass es ein breiteres Publikum erreicht. Aber wenn das, was ich mache, so, wie ich es mache, viele anspricht, muss ich mich nicht dagegen wehren. Dementsprechend habe ich mit großen Bühnen kein Problem. Im Größerwerden liegt natürlich auch die Gefahr, dass man gefallen will und sich das auf die Art und Weise auswirkt, wie man die Dinge angeht.

Auch bei Ihnen?

Jürgens: Es lässt sich nicht komplett ausblenden, ich bemühe mich aber. Die erste Platte habe ich einfach gemacht, für die zweite wüsste ich jetzt, was gut funktioniert. Ich kann also entweder weiterhin sperrige Nummern machen – oder mich an den eingängigen Sachen orientieren.

Sind Sie heuer überhaupt zum Schreiben neuer Lieder gekommen?

Jürgens: Man sammelt zwar ständig, ich habe aber noch keine halb fertige Platte in der Hinterhand. Nach dem Gasometer spielen wir in Garsten noch ein Konzert im Häfn, danach gibt es eine selbstverhängte zweimonatige Auftrittssperre. Einen Monat bin ich weg, auf Urlaub. Die erste Aufgabe wird sein, alle Notizen zu sichten und zusammenzufassen – oder vielleicht auch zu verwerfen. Es geht darum, die Ruhe zu finden und sich jeden Tag ganz bewusst hinzusetzen. Was mir nicht gerade leichtfällt, dafür muss mir erst einmal fad werden. In Wien hat dauernd jemand eine Idee, was man machen könnte – oder ich habe sie selbst. Daher muss ich weg.

Wann soll die Platte erscheinen?

Jürgens: Ende nächsten Jahres.

Worüber schreibt man, wenn man nach Jahren als Underdog plötzlich von der Basis des Erfolgs aus agiert?

Jürgens: Das ist nicht das Problem, denn an gewissen Zuständen ändert sich durch den Erfolg ja nichts. Auf die Dinge, die ich mir in den Texten anschaue, hat es auch keine Auswirkung, dass ich jetzt ein bisschen besser einkaufen gehen kann. Ich fühle mich nicht so, als wäre ich plötzlich ein Fremdkörper, der sich voyeuristisch gewisser Dinge bedient.

Haben Sie Angst vor dem sogenannten „schwierigen zweiten Album“?

Jürgens: Schwierig ist im Endeffekt eh jedes Album, ich glaube nicht, dass das dritte leichter wird. Mir ist es beim Musikmachen immer darum gegangen, dass ich selbst mich damit wohlfühle. Ich habe den Anspruch, dass es mir taugt, und im Optimalfall gefällt es eben auch anderen. Auf ein sicheres Pferd zu setzen interessiert mich weniger. Es geht einfach nicht darum, ein zweites „Heite grob ma Tote aus“ zu schreiben. Marco Wanda hat mir letztens eine Nachricht geschickt: „Du musst keine Hits schreiben!“ Das stimmt schon, ist aber leichter gesagt als getan. Denn letztlich braucht eine Platte halt ein Lied, das stellvertretend steht, damit sie als Ganzes überhaupt wahrgenommen wird.

Kann man einen Hit denn erarbeiten?

Jürgens: Nein, der passiert. Ich glaube nicht daran, dass jemand weiß, was die Leute wollen. Es gibt Akkordfolgen, die angenehmer klingen als andere, und ich weiß auch, dass Lieder, an denen man ewig tüftelt, im Endeffekt selten die eingängigsten sind. Aber man kann nicht erzwingen, dass es einem leicht von der Hand geht. Entweder man hat so einen Erguss, oder man hat ihn nicht.

Gasometer, Mi 20.00

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