FALTER-Recherchen: Hitze hat in Österreich hunderte Menschenleben gekostet
In den vergangenen zehn Jahren führten die Hitzewellen in den Sommern 2007, 2010 und 2013 zu „signifikanten Übersterblichkeiten“. Das sind die Ergebnisse aktueller Berechnungen der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages), die der FALTER erstmals in seiner morgen, Mittwoch, erscheinenden Ausgabe veröffentlicht. Pro Sommer starben in diesen heißen Jahren – je nach Berechnungsmethode – zwischen 150 und 800 Österreicher aufgrund der Hitze.
Möglich machen die Berechnungen ein neues Werkzeug namens Mortalitätsmonitoring (Momo), mit dem die Ages künftig anrollende Hitzewellen mit mörderischer Wirkung so früh wie möglich erkennen will. Die Ages reagiert damit auf die Folgen des Klimawandels. „Wir sehen vermehrt Extremwetterereignisse und wollen darauf vorbereitet sein“, erklärt Franz Allerberger, der in der Ages das Ressort „Öffentliche Gesundheit“ leitet, im FALTER.
In einer großen Recherche zum Thema Hitzetoten zeigt der FALTER auf, dass es in den nächsten drei Jahrzehnten bedeutend mehr Klimatote als Verkehrstote geben wird, wenn die Trends anhalten. In den ersten fünf Jahren der 1980er-Jahre kamen im Schnitt 1903 Menschen auf Österreichs Straßen um, in den vergangenen fünf Jahren sank die Zahl im Jahresschnitt auf ein Viertel, nämlich auf durchschnittlich 464 Menschen.
Die Zahl der hitzebedingten Toten könnte sich bei anhaltendem Trend hingegen bis zur Jahrhundertmitte dramatisch steigern. Das zeigt die Coin-Studie (Cost of Inaction – Assessing Costs of Climate Change for Austria) österreichischer Klimaforscher aus dem Jahr 2015, die berechnete, wie viele Todesopfer die Hitze in Österreich rund um die Jahrhundertmitte fordern würde, wenn die Politik nichts gegen den Klimawandel unternimmt. Statistisch gesehen wären das zur Jahrhundertmitte im mittleren Szenario im langjährigen Jahresschnitt rund 1000 Hitzetote. In einem extrem heißen Jahr sogar rund 6000.
Der FALTER macht aus der Coin-Studie erstmals Berechnungen für die Stadt Wien öffentlich, die im Gegensatz zum ländlichen Gebiet überdurchschnittlich stark gefährdet ist. Rund um die Jahrhundertmitte würden laut dieser Prognose im Durchschnittsjahr geschätzt 300 Wiener aufgrund der Hitze sterben. In extremen Jahren könnte die Zahl sogar auf 1700 klettern. Klimaforscher Willi Haas vom Institut für Soziale Ökologie der Alpen-Adria-Universität, der die Coin-Studie zum Thema Gesundheit leitete, warnt im FALTER: „Haben wir Pech, muss erst ein extremes Jahr passieren, damit die Politik entschiedene Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel tritt. Wenn wir Glück haben, trifft die Politik sie schon davor.“
Wieviele Österreicher heuer aufgrund der Hitze starben, ist noch nicht bekannt. Allerdings zählt der Sommer 2017 nach einer Auswertung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik bereits jetzt zu einem der heißesten in der Messgeschichte. Bis Dienstag zählt die Messstation Hohe Warte 36 Hitzetage. Der Rekord aus dem Jahr 2015 liegt bei 42 Hitzetagen.