Duftwolke

Peter Iwaniewicz riecht an Regenwürmern mit 0,6 olf/m²

Kolumnen, FALTER 20/2017 vom 16.05.2017

Eigentlich wollte ich über ein sehr poetisches und völlig abseits des aktuellen Nachrichtengedöns liegendes Thema schreiben: den Duft des Frühjahrs. Nasses Gras, aufdringlicher Flieder und – für Fortgeschrittene – die ätherischen Aromen der Blattwanzen. Wer diese Welt riecht, der fühlt sich selbst auch gleich besser. Aber dann begann ich vom Weg der Tugend abzufallen und ging der Frage nach, ob es eine Maßeinheit für Düfte gibt. Die Antwort ist Ja, und diese heißt Olf. Per Definition ist ein Olf jener Geruch, den ein sitzender Mensch mit 1,8 Quadratmeter Hautoberfläche mit einem Hygienezustand von 0,7 Bädern pro Tag erzeugt (also sich einmal in 36 Stunden waschen). Raucher emittieren 25 Olf, Athleten nach dem Sport 30 Olf. Einen Wert für „unklimatisierte U-Bahn im Sommer zur Stoßzeit“ konnte ich noch nicht finden.

Auf diese Weise von meiner aufrechten zoologischen Kolumnen-Mission abgelenkt, stieß ich auf eine aktuelle Studie, die uns Menschen ein viel feineres Riechvermögen als bisher angenommen attestiert. Manche Düfte können wir sogar besser als Hunde wahrnehmen, zum Beispiel den von Bananen. Okay, das ist jetzt nicht ganz so mindboggling, aber jedenfalls haben Gerüche für uns eine wesentlich größerer Bedeutung und Auswirkung, als man es diesem Schlusslicht unter den klassischen fünf Sinnen bislang zugestanden hätte.

Der angeblich so schlechte menschliche Geruchssinn ist nach Meinung des Zellphysiologen und Mediziners Hans Hatt sogar nur ein Mythos aus dem moralinsauren 19. Jahrhundert, als Sexualität noch mit animalischen Düften und Triebhaftigkeit gleichgesetzt wurde.

In einem Versuch konnte er sogar das Verhalten der Probanden mit dem jasminähnlichen Riechstoff Hedion beeinflussen: Seine Testpersonen reagierten kooperativer auf Freundlichkeit, aber aggressiver auf unfaires Verhalten. Hedion, das auch in Parfums verarbeitet wird, lag dabei in nur minimalen, kaum wahrnehmbaren Mengen in der Luft.

In der Spieltheorie bezeichnet man es als „Tit for tat“-Strategie, wenn man immer genau so handelt, wie es sein Gegenüber gerade getan hat. Kooperation bewirkt auf der anderen Seite Zusammenarbeit, Defektion (eine unfreundliche Attacke) des Gegenübers erzeugt Vergeltung. Und aus gut informierten Kreisen wurde jetzt verlautet, dass es in den Verhandlungsräumen der Regierungsparteien nach Hedion gerochen haben soll.

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