Orbáns Imperium
Freunde des Premiers erobern Stück für Stück Ungarns Medienlandschaft. Anatomie einer Übernahme mit österreichischer Hilfe
Screenshots: hvg.hu
Nur wenig deutet darauf hin, dass hier eine Zeitung gemacht wird: der blaue Aufkleber Népszava (Volksstimme) am Klingelschild, im Garten eine etwas größere Tafel. Das Gebäude nahe dem Budapester Stadtpark ähnelt eher einem Gemeindebau als einem journalistischen Widerstandsnest. Im Treppenaufgang hängen Faksimiles der sozialdemokratischen Zeitung. 1877 wurde die Zeitung gegründet, zu Ostblockzeiten war sie das Zentralorgan der Gewerkschaften, jetzt ist sie die neue Hoffnung der Linken. „Wir füllen die Lücke, die Népszabadság hinterlassen hat“, sagt Chefredakteur Péter Németh.
Im Oktober 2016 war das Aus für die linksliberale Tageszeitung Népszabadság (Volksfreiheit) besiegelt worden. Während des Ungarn-Aufstandes 1956 als Organ der Kommunistischen Partei gegründet, hatte sich Népszabadság nach der Wende zu einer seriösen Zeitung und zum größten regierungskritischen Blatt Ungarns gemausert. Dann wurde es in einer Nacht-und-Nebel-Aktion liquidiert. „Das war ein Putsch“, sagt Márton Gergely, der mittlerweile beim Wochenmagazin HVG arbeitet, Anfang Oktober war er noch stellvertretender Chefredakteur der Népszabadság gewesen. Die Journalistin Klára Kovács war überrascht, als sie am Morgen des achten Oktober Dienst hatte und ihr Computer blockiert war. „Ich rief den Online-Chef an“, sagt sie. Der fragte sie, ob der Bote noch nicht bei ihr gewesen sei. „Was für ein Bote?“ Der Bote brachte die Beurlaubung bis auf Weiteres und einen Maulkorb. „Ich war wie erstarrt“, sagt Kovács.