„Es geht schlecht aus“

Burg-Doyenne Elisabeth Orth über Shakespeare, Strache und die Kunst der Soufflage

FALTER:Woche, FALTER:Woche 37/2016 vom 13.09.2016

Foto: Reinhard Werner, Burgtheater; Björn Segschneider/Parallel (Kunst)

Nach langer Zeit spielt die Burg-Doyenne wieder einen Klassiker. Im Akademietheater gibt Elisabeth Orth, 80, die Volumnia, ehrgeizige Mutter des altrömischen Politikers Coriolan. Den spielt ihr wirklicher Sohn, Cornelius Obonya. Dessen Frau Carolin Pienkos führt Regie.

Falter: Frau Orth, Sie stehen zwar nicht erstmals mit Ihrem Sohn auf der Bühne, aber es ist das erste Mal, dass Sie tatsächlich seine Mutter spielen.

Elisabeth Orth: Wir haben uns vor langer Zeit gefragt, was wir in dieser Konstellation spielen könnten. Nicht: langweilige Mami und Kindlein, sondern ein Problemstück. Jetzt ist genau die richtige Zeit für „Coriolan“. Bevor ich in die Grube fahre, sowieso – die Volumnia hat ihre besten Jahre hinter sich –, aber auch der Coriolan ist kein Knabe mehr, sondern ein ganzer Mann.

Gestaltet sich die Konstellation so, wie Sie es erwartet haben?

Orth: Aufregend anders. Wir sind auf unterschiedliche Art hinter dem Rollenbild her. Mein Sohn und ich sind beide nicht machtgierig, aber die Lust am Spielen bringt uns zur Macht. Wir gehen beide gerne sechs Ecken, aber es sind unterschiedliche sechs Ecken. Bei Shakespeare muss man so vieles unter der Oberfläche suchen! Er schreibt nie schwarz-weiß, alles ist immer Schatten, grau, möglich, ambivalent, hart, komisch und dann wieder ganz anders.

„Coriolan“ gilt als sein am wenigsten geliebtes Stück. Warum?

Orth: Es geht schlecht aus, die Hauptfigur wird umgebracht. Außerdem ist es didaktisch bis ins Mark und überhaupt nicht erotisch. Darüber waren sie schon zu Shakespeares Zeiten sauer.

Wie passt das Stück in unsere Zeit?

Orth: Jede vierte Seite stößt einen mit ihrer Aktualität in den Magen. Die Ansage der Volumnia an ihren Sohn, wie er im Wahlkampf den Demütigen spielen und sich benehmen soll – das kannst du dem Strache auf den Schreibtisch legen, und er wird sagen: „Das mache ich doch eh alles!“

Am Ende dringt Volumnia immerhin mit Schwiegertochter und Enkel ins feindliche Lager zu Coriolan vor und beschwört ihn, Frieden zu schließen.

Orth: Carolin Pienkos hat diese Szene so inszeniert, dass links und rechts schon die müden Soldaten des feindlichen Stammes liegen. Wir erregen also Aufsehen und natürlich Spott – peinlich, dass ihn die Mami holen kommt. Es kommt bei Shakespeare nicht ganz klar heraus, wie genau sie sich das überlegt hat.

Wissen Sie selbst es für sich?

Orth: Natürlich muss ich mir meine Biografie bauen. Aber bei größeren Rollen behalte ich mir vor, dass manches mein Geheimnis bleibt. Auch mit der Regisseurin tausche ich mich nicht darüber aus, trotzdem sollte sie es natürlich wissen. Wenn alles ganz offen wäre, müsste ich ja nicht anwesend sein. Dann könnte ich ein Video schicken.

Die Regisseurin ist ja auch ihre Schwiegertochter. Spiegelt sich die Familiensituation im Stück manchmal auf der Probe?

Orth: Ich arbeite mit Profis, daher mache ich mir darüber kaum Gedanken. Anders ist nur, dass ich sie frage, ob ich sie am Abend anrufen darf, und Carolin sagt: „Ja, aber ich muss noch deinen Enkel von der Geigenstunde abholen.“ Da fällt mir auf, dass sogar mein Enkel mit seinen zehn Jahren ungefähr so alt ist wie Volumnias Enkel im Stück.

Ihre letzten großen Premieren waren zeitgenössische Texte von Ewald Palmetshofer und Maja Haderlap. Haben Sie die Klassiker schon vermisst?

Orth: Das war eine große Freude, ich war selig, als ich Heutiges spielen durfte. Vor allem, weil bei beiden ein Schatten von Dialekt blieb. Klassische Texte spielend habe ich mir mein Leben lang gewünscht, ein bisschen die österreichische Farbe behalten zu dürfen.

Für das Palmetshofer-Stück „Die Unverheiratete“ haben Sie 2015 den Nestroy-Preis erhalten und ihn überraschend mit Ihrer Souffleuse Gabriele Barth geteilt.

Orth: Sie ist eine tolle Person, wir haben Stunden miteinander verbracht. Ohne sie hätte ich die Rolle nie innerhalb von 14 Tagen lernen können, denn ich bin ja eingesprungen.

Ist Soufflieren eine Kunst?

Orth: Auf jeden Fall. Eine Souffleuse an der Deutschen Oper Berlin sagt immer das erste Wort einer Zeile an. Da der Sänger sie durch die Musik nicht hört, geschieht das über die Mundgestaltung. Sie deutet auch Tempi und Einsätze an. Souffleusen müssen halbe Psychologinnen sein und wissen: Ist das jetzt eine neue Pause oder ein Hänger? Außerdem müssen sie gut sehen, um bis zu fünf Schauspieler im Blick haben zu können, von denen mindestens zwei textunsicher sind.

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