Leidenschaft schafft Leiden
Emily Brontës „Sturmhöhe“ ist einer der irrsten Romane der Weltliteratur und soeben neu übersetzt worden
Illustration: Daniel Jokesch
Eine 29-jährige Frau, die von der Welt außerhalb des heimatlichen Yorkshire nicht viel gesehen hat, die als extrem introvertiert und eigenbrötlerisch beschrieben wird und nach allem, was man weiß, nie verliebt gewesen ist, geschweige denn erotische Erfahrungen gesammelt hätte, veröffentlicht im Jahr 1847 unter Pseudonym einen Roman, der als eine der größten Liebesgeschichten aller Zeiten ins kollektive Gedächtnis eingehen wird.
Wer sich hinter dem Pseudonym Ellis Bell verbirgt, wird zu Lebzeiten der Autorin niemand zur Kenntnis nehmen: Ein Jahr nach dem Erscheinen von „Sturmhöhe“ stirbt Emily Brontë an den Folgen einer Lungenentzündung.
Keine Frage, Leben und Werk von Emily Brontë sind genau der Stoff, aus dem Legenden gewoben werden. Der Mythos von der einhelligen Ablehnung des Romans durch die Zeitgenossen ist dennoch unhaltbar. Selbst die Kritiker, die von der Düsternis der Handlung, dem Extremismus der Emotionen und der Krassheit der Sprache sichtlich schockiert waren, konzedieren dem Roman eine „große“, „beachtliche“ oder „beträchtliche“ Kraft.