„Wir sind wie Krokodile“
Korrupte Regimes, kriminelle Unternehmen, böse Geheimdienste: Für investigative Journalisten gibt es viel zu tun. Aber es fehlt Geld für die Recherche. Über Strategien, die aus dem Jammertal führen
Foto: Thomas Wolkinger
Auf dem Platz des 4. November im Herzen Perugias bildet sich an diesem Tag die längste Schlange des internationalen Journalismusfestivals. Die Menschen warten auf einen Mann, der sein Leben riskiert, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Abdalaziz Alhamza biegt mit seinem Freund um die Ecke, er trägt Shorts, Baseballkappe und blickt erstaunt auf die Schlange. Mit 20 Zuhörern hätte er gerechnet. Gekommen ist eine Menschenmasse, die den jungen Blogger hören will.
Alhamza hat das Blogger-Kollektiv mitbegründet, das diesen schrecklichen Namen trägt: „Raqqa is being slaughtered silently“ (zu deutsch: „Rakka wird leise abgeschlachtet“).
Unter Todesgefahr berichten seine Mitstreiter aus dem „Kalifat“ von den Gräueltaten des „Islamischen Staats“. Es herrscht eine spezielle Stimmung im großen Renaissancesaal Sala dei Notari in Perugia. Ehrfürchtig lauscht das Publikum dem Blogger, der erzählt, wie die vermeintlichen Gotteskrieger seine Freunde hinrichteten, deren Verwandte ermordeten und seinen Mitstreitern den Kopf abschnitten.