„Uns sind die Kinotickets ausgegangen“
Tarantino auf 70 mm: Im Wiener Gartenbaukino feiert der analoge Film einen seltenen Triumph
Foto: Michael Schöppl
Man braucht Quentin Tarantino nicht zu lieben, um ins Gartenbau zu pilgern. Wiens altehrwürdiges Premierenkino ist eines von insgesamt 19 Häusern in ganz Europa, die „The Hateful Eight“ im originalen 70-mm-Format präsentieren. Für den Geschäftsführer des Gartenbaus, den ehemaligen Videothekar und Filmvorführer Norman Shetler, 42, geht mit der Wiederbelebung des analogen Großformats ein Herzenswunsch in Erfüllung.
Falter: Sind die Geräte, mit denen Sie spielen, noch dieselben wie bei der Eröffnung des Kinos?
Norman Shetler: Ja, die stehen seit 1960 da. Mit einer kurzen Unterbrechung, als man Cinerama installiert hat, eine kurzlebige Technik mit drei Projektoren. Nach zwei Jahren hat man die DP70 von Philips dann wieder eingebaut. Die sind legendär, das populärste Kombigerät für 35 und 70 mm. Wir hatten das große Glück, dass die Maschinen immer gut gewartet wurden, sodass wir sie mit nicht allzu großem Aufwand wieder aktivieren konnten.
Was war das Schwierigste?
Shetler: Der sogenannte Kasch der Leinwand. Damit das 70-mm-Bild wirklich zur Geltung kommt, muss man maximalisieren – voll in die Breite gehen und oben und unten entsprechend kaschieren. Zwar haben wir eine horizontale Kaschierung, die beweglich sein sollte, nur funktioniert die leider schon seit 20 Jahren nicht mehr. Deswegen haben wir Aufsteckblenden konstruiert, mit Theatersamt überzogen und einfach dran montiert.
Eine langwierige Bastelarbeit?
Shetler: Schon, aber wenn du damit zu einer Firma gehst, kriegst du erst einmal einen Kostenvorschlag für 5000 Euro. Da hol ich mir lieber ein paar Techniker, die sonst die Viennale machen, und wir basteln was zusammen. Das macht ja auch Spaß und du weißt dann, wo die Kabel alle hinlaufen. Natürlich kann man fragen: Zahlt sich das aus für diesen Film? (Lacht.)
Könnte das nicht gleich Tarantinos Produktionsfirma zahlen?
Shetler: In Amerika haben sie anderthalb Jahre lang Projektoren zusammengekauft und hergerichtet, haben anamorphe Objektive in Auftrag gegeben und den Kinos dann ein Komplettpaket hingestellt. Blöderweise waren darunter Multiplexe, wo das Personal nie mit analogem Film zu tun hatte, geschweige denn mit 70 mm. Und so einfach, dass man einlegt und „Play“ drückt, ist es doch nicht.
Wie sehr geht es bei „The Hateful Eight“ auch um den Ereignischarakter des Films?
Shetler: Das inszenatorische Element ist ganz wichtig, es gibt Handlungsanweisungen, wie das früher auch durchaus üblich war. An die halten wir uns natürlich: Wir haben kein Vorprogramm, keine Werbung, die Ouvertüre kommt, erst an deren Ende geht der Vorhang hoch und das Licht aus. Das haben die Leute seit 20 Jahren nicht mehr gesehen, es kommt wirklich gut an: Das ist Kino!
Was bedeutet es für das Gartenbau, dass der Film gut geht?
Shetler: Dass „The Hateful Eight“ sehr gut läuft, ist super, bringt uns personell aber auch an die Grenzen. Wir sind ausgelegt für 200 Leute am Tag, und jetzt haben wir halt viel mehr. So absurd es klingt – uns sind sogar die Kinotickets ausgegangen.
Wird das Projekt 70 mm hier eine Fortsetzung finden?
Shetler: Auf jeden Fall. Als Nächstes spielen wir „Lawrence of Arabia“. Im Herbst möchte ich eine Stanley-Kubrick-Retro machen und langfristig ein kleines Festival. Wir haben jetzt die Chance, uns einen gewissen Status zu erarbeiten. Man war so lange, seit die Viennale das Haus vor 15 Jahren übernommen hat, in der Defensive und musste sich immer wegen der Subventionen rechtfertigen. Jetzt gibt es die Chance, selbstbewusst zu sagen: Wir sind da, wir sind gut ausgestattet, wir können das. Wir sind ein Haus von europäischem Rang.
Information: www.gartenbaukino.at