Die Grenzen des Erinnerns
Es endet, wie es begonnen hat. Für den Titel seines eben erschienenen Buches „Mémoires. 1984-1987“ hat der in Graz lebende Fotograf Seiichi Furuya genau dasselbe Bild ausgewählt, das schon auf dem ersten, 1989 erschienenen Band seines so berührenden wie verstörenden Erinnerungsprojekts zu sehen war. Das Bild zeigt Furuyas Frau Christine Gössler, in spätes, gelbes Licht getaucht, in ihrem Blick ein Glanz von Traurigkeit. Der Schatten Furuyas, der in diesem Moment den Auslöser betätigt, zeichnet sich auf ihrem Körper ab, an der Wand hinter ihr ist ein Ausschnitt einer billigen Reproduktion von Jean-François Millets kontemplativem Totengedenken „L’Angelus“ zu erkennen.
Entstanden ist das Foto Anfang Oktober 1985 im neunten Stock eines Ost-Berliner Plattenbaus, in der Wohnung, die Furuya damals mit seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn Komyo Klaus bewohnte. Wenige Tage, nachdem es gemacht wurde, stürzte sich Christine Gössler, die unter schweren Depressionen litt, aus dem Fenster dieser Wohnung zu Tode.