Der Tag, an dem Aeryn verschwand
Sie hätte nach Wien kommen wollen, für sechs Monate vielleicht, Europa kenne sie ohnehin kaum. Danach hätte sie übersiedeln wollen, weg von der zugigen Ostküste, nach Florida, ins sonnige Altenteil Amerikas. Doch zu all dem kam es nicht mehr.
Am 31. Oktober 2007, zwei Uhr nachmittags, bekam Kathy Gilleran einen Anruf, der alle ihre Pläne bedeutungslos werden ließ.
Gilleran ist heute 56 Jahre alt. Sie sitzt in einem braunen Lederfauteuil in der Lobby eines hübschen und nicht allzu teuren Wiener Innenstadthotels. Sie ist nach Wien gekommen, aber nicht mehr, weil Europa sie interessiert.
Bis zu ihrer Pensionierung habe sie als Polizistin gearbeitet, erzählt sie, in Cortland, US-Bundesstaat New York. Sie habe gedacht, von Polizist zu Polizist rede es sich leichter. Man würde einander verstehen, habe sie geglaubt, man würde ihr schon helfen, hier in Wien, bei der Suche nach ihrem verschwundenen Sohn.