Putziger Fimmel

Stadtleben, FALTER 16/2007 vom 18.04.2007

Mit dem Frühling kommt die Putzwut. Das ist nicht nur gut erforscht, sondern auch gefährlich. Schon jetzt weiß das Kuratorium für Verkehrssicherheit, dass sich im März und April circa 3000 Personen infolge intensiver Säuberungsarbeiten in ihrer Wohnung verletzt haben werden. Die Hitparade der Blessuren führen Knochenbrüche (32 Prozent) an, dicht gefolgt von offenen Wunden (24 Prozent) und Prellungen (22 Prozent). Die amtswegig erhobenen Gründe erinnern an die Darwin Awards, einer Sammlung obskurer Todesarten: „Beim Bügeln im Sitzen das heiße Eisen auf den Schoß gefallen“ oder auch „vom umstürzenden Kellerregal eingequetscht“. Zum Glück gibt es genügend Interessengruppen, die derlei „Studien“ finanzieren und uns – wie zum Beispiel die amerikanische Soap and Detergent Association – mit staubfreien Details aus weltweiten Wischgewohnheiten erfreuen. Brian Sansoni, Vizepräsident der Gesellschaft, spricht lieber von „event cleaning“ und ortet bei zwei Drittel aller Amerikaner das uramerikanische Ritual des spring cleanings, für das als selbstreferenzieller Grund „It just needs to be done“ angegeben wird.

In Großbritannien kommt die Treibstofffirma Total in einer weiteren Studie zum Schluss, dass auch Autos Teil der manischen Aktivitäten des Frühjahrsputzes sein sollten. Die Hälfte der Briten reinigen ihr Auto zumindest einmal im Monat, wobei dies zu zwei Drittel per Hand und im Vorgarten passiert. Das soll aber so nicht sein! Die sauberen Benzinfabrikanten warnen vor der daraus resultierenden Umweltverschmutzung, die angeblich durch Verschwendung von 130 Millionen Liter Wasser pro Tag aufgrund der Handwäsche englischer Autos entsteht. Das wirklich Wissenschaftliche zuletzt: Ricardo Azevedo von der University of Houston will in einem Computermodell bewiesen haben, dass die „Erfindung“ der sexuellen Fortpflanzung in der Evolution einem genetischen Frühjahrsputz gleichkommt. Denn bei asexueller Reproduktion wie zum Beispiel durch Sprossung und andere spaßlose Aktivitäten bleiben schädliche Mutationen dem Lebewesen erhalten, während durch den Austausch von Genen – im Volksmund auch Sex genannt – schädliche, mutierte Gene eines Partners durch die intakten Gene des anderen wieder ersetzt werden können. Was meint Gott dazu? „It just needs to be done.“

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