Posse mit Hakenkreuzen

Feuilleton, FALTER 11/2007 vom 14.03.2007

Es war einmal ein junger New Yorker Jude, der machte Urlaub bei einem alten Nazi. Vor 25 Jahren war Warren Rosenzweig von Freunden eingeladen worden, einen Monat lang auf einem Bauernhof in Völkermarkt mitzuarbeiten. Zunächst lief alles bestens. Der Großstädter war von der Landarbeit begeistert, die Kärntner Familie hatte den Fremden ins Herz geschlossen. Aber dann bekam der Gast einen Brief, und jetzt erst wusste der Familienpatron, wie der junge Mann mit Nachnamen heißt. Der Alte stürmte in die Stube, wo Rosenzweig gerade beim Frühstück saß, richtete ein Brotmesser gegen ihn und brüllte: „Jüdisches amerikanisches Schwein, raus aus meinem Haus!“ Der ließ sich das nicht zweimal sagen und ergriff barfuß die Flucht.

„Das war meine erste Erfahrung mit Österreich“, sagt Warren Rosenzweig, 48, heute. Wenn die Geschichte wahr ist, dann erklärt sie vieles. Nach dem abenteuerlichen Kärntenaufenthalt reist Rosenzweig zwar nach Wien und verliebt sich spontan in die Stadt. Aber es ist bis heute eine schwierige, von permanenten Krisen geprägte Beziehung. Zum ersten Mal in seinem Leben macht sich Rosenzweig Gedanken darüber, dass er Jude ist und was das für ihn bedeutet. „In New York war ich mit dieser Frage nie konfrontiert. Es war einfach so.“ Rosenzweig bleibt ein paar Jahre, gründet mit Migranten aus verschiedenen Ländern die Theatergruppe Strangers in Vienna und heiratet eine Österreicherin. Zusammen ziehen die beiden nach New York, 1998 kehren sie zurück nach Österreich, zunächst nach Graz. Hier gründet Rosenzweig das Jüdische Theater Austria (JTA), eine freie Theatergruppe, die eine seit der Nazizeit verschüttete Tradition wiederbeleben soll. „Jüdisches Theater kann durch die Kunst ein stellvertretendes Erleben jüdischer Erfahrung bieten“, erklärt Rosenzweig. „In Österreich ist es nicht selbstverständlich, Jude zu sein.“

  1715 Wörter       9 Minuten

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