Agenda 2032: Alles dreht sich um Pension, Gesundheit und Pflege

Ulrike Famira-Mühlberger
am 09.01.2022

Für 2032 lässt sich einiges prognostizieren, ohne ins Reich der phantastischen Utopien oder Dystopien eintreten zu müssen. Die Bevölkerungsprognose für Österreich wird jedes Jahr aktualisiert. In der letzten Revision wurde die Anzahl der älteren Personen in den nächsten Jahren reduziert, während man davon ausgeht, dass sich in den nächsten Jahren die Zahl der jüngeren Personen, die in Österreich leben, erhöhen wird. Dennoch ist davon auszugehen, dass die erwerbsfähige Bevölkerung im Alter zwischen 16 und 65 Jahren ab 2023 erstmals schrumpfen wird.

Was werden diese Entwicklungen für uns bedeuten?

Im Bereich des Arbeitsmarktes werden wir in den nächsten zehn Jahren eine starke Strukturveränderung sehen: So werden sich die betrieblichen Altersstrukturen verschieben. Bereits in den letzten zehn Jahren stieg das durchschnittliche Alter von Belegschaften um mehr als zwei Jahre. Für die nächsten zehn Jahre bedeutet dies, dass Betriebe sich mit der Thematik der alters- und alternsgerechten Arbeitsplätze auseinandersetzen müssen. Belegschaften werden nicht nur diverser (Internationalität, Geschlecht), sondern auch älter. Dazu braucht es Organisationsstrukturen, die die Alterung der Gesellschaft widerspiegeln. Aber der Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung bedeutet auch, dass der Konkurrenzkampf um die besten Köpfe zunehmen wird: dazu braucht es neue Rekrutierungsstrategien, die internationaler ausgerichtet sein müssen, aber auch ein Umfeld, das für Frauen und Männer gleichermaßen attraktiv ist und die Übernahme der Haus- und Betreuungsarbeit für beide Geschlechter zulässt.

Die Alterung der Gesellschaft hinterlässt aber auch Spuren in der Gruppe der Arbeitslosen. Wir sehen, dass vor allem die Gruppe der Langzeitarbeitslosen im Durchschnitt älter wird – vermehrt in Kombination mit gesundheitlichen Einschränkungen, was die Reintegrationschancen drastisch reduziert. Wollen wir diesen Betroffenen eine Chance geben, sich aktiv am Erwerbsleben zu beteiligen, benötigt es unorthodoxe Maßnahmen, die nicht nur im öffentlichen Bereich, sondern auch bei Unternehmen angesiedelt sein müssen.

Wenn die Generation der 1960er Jahre ins Pensionseintrittsalter kommt, dann werden wir eine Erhöhung der Pensionsleistungen aus dem öffentlichen Finanztopf beobachten. Während die öffentlichen Aufwendungen für Pensionen im Jahr 2019 13,3% des Bruttoinlandprodukts betrug, wird dieser Anteil bis zum Jahr 2035 auf 15,4% steigen. Ob die dahinterliegenden Annahmen zu optimistisch sind, darüber herrscht im Kreis der Expertinnen und Experten allerdings Uneinigkeit.

Einige Jahre später wird diese Generation in das pflegebedürftige Alter kommen. Die nächsten zehn Jahre lassen noch geringere Nachfragesteigerungen nach Pflegedienstleistungen erwarten, ab 2030, und vor allem ab 2035, wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen allerdings stark ansteigen. Hier gilt es bereits jetzt Vorkehrungen zu treffen.

Der Bevölkerungsprognose folgend, gehen WIFO-Projektionen von einer Steigerung der Nachfrage nach Pflegedienstleistungen im Ausmaß von gut 80% bis 2030 und über 300% bis 2050 aus. In Relation zum Bruttoinlandprodukt: heute geben wir rund 0,6% des BIP für Pflegedienstleistungen aus, 2030 werden das rund 0,8% sein und 2050 1,4%. Diese WIFO-Projektionen berücksichtigen neben der Demografie auch positive Gesundheitsentwicklungen, Kostensteigerungen im Pflegebereich aufgrund der Humankapitalintensität des Sektors und den Rückgang der informellen Pflege. Das Pflegepotenzial von Familien wird sich durch höhere Bildung von Frauen, die zu einer stärkeren Arbeitsmarktintegration führt, aber auch durch die gesunkene Fertilität und die höhere Mobilität der jüngeren Generation reduzieren.

Aus heutiger Sicht wird die zentrale Herausforderung sein, das nötige Pflegepersonal zu rekrutieren. Bereits heute gibt es sowohl im mobilen als auch im stationären Bereich der Pflege Personalmangel. Dies bedeutet für das bestehende Personal eine zunehmende Verdichtung des Arbeitsablaufes, besonders in Urlaubs- und Krankenzeiten. Hier benötigen wir Maßnahmen, die über klassische Ausbildungswege hinausgehen: Finanziell unterstützte Aus- und Weiterbildungen sowie finanziell unterstützte Umschulungsmöglichkeiten für Wiedereinsteigerinnen sind Beispiele wie auch Personen jenseits der Mitte ihrer Erwerbsbiografie für die Pflege gewonnen werden könnten. Und eines ist ganz klar: Ohne Migration wird es im Bereich der Pflege nicht gehen. Aktives Rekrutieren im Ausland und eine Vereinfachung der Nostrifikationen von Qualifikationen ist in anderen westeuropäischen Staaten schon an der Tagesordnung.

Diese auf uns zukommenden Änderungen in der Altersstruktur der österreichischen Bevölkerung wird die Ausgabenstruktur des öffentlichen Sektors verändern: die Bereiche Pensionen, Gesundheit und Pflege werden gewichtiger werden. Ökonomisch bedeutet dies, dass wir – wollen wir die Standards aufrechterhalten – umso produktiver sein werden müssen. Der beste Weg zu diesem Ziel ist eine umfassende Bildungsreform, die Kindergärten umfasst, die Ganztagesschulen ausbaut und Kindern aus bildungsfernen Schichten mehr Bildungschancen einräumt.

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