Neue Digitale Medienförderung? Gedacht wie von gestern.

Krisztina Rozgonyi
am 14.03.2021

Die Bundesregierung hat kürzlich eine Änderung des wichtigsten Gesetzes zur Regulierung der staatlichen Medienförderung vorgebracht. Gemäß Entwurf sollen Tages-, Wochen- und Monatszeitungen, Volksgruppenmedien sowie kommerzielle und nichtkommerzielle Privatsender zum Zweck der „Erhaltung der Vielfalt an Anbietern … und zur Förderung des Auf- und Ausbaus des digitalen Angebots in der Medienlandschaft“ finanziell gefördert werden. Mit (zusätzlichen) 15 Millionen Euro pro Jahr, 34 Millionen im Jahr 2021, soll die digitale Transformation der Medien gefördert werden – nicht jedoch die digitalen Medien selbst. Der Entwurf hat bereits heftige, aber auch gerechtfertigte Kritik hervorgerufen. Laut Nikolaus Forgó @UniWien würde die neue Digitalförderung traditionelle Medien und ihre Marktbedingungen in Österreich zementieren und sei damit das „Gegenteil einer offenen, transparenten, wissenschaftsbasierten und diskursorientierten Förderpolitik“. Zudem sei sie vermutlich auch EU-rechtlich fragwürdig.

Das Gesetzesvorhaben bedarf unbedingt eines Paradigmenwechsels. Das betrifft einerseits die Bedeutung von „digital“ für die Medien und andererseits die Art und Weise, wie staatliche Förderungen die Medienpluralität, einschließlich der Gleichberechtigung der Geschlechter, verbessern können.

Führende Medienunternehmen unserer Zeit konnten das veraltete Silodenken von Presse-Fernsehen-Radio-Online-Produktionen erfolgreich hinter sich lassen. Zusätzlich hat die globale COVID-19-Pandemie die digitale Wende in Richtung leserorientierte Geschäftsmodelle noch weiter vorangetrieben. Medienunternehmen, die als Wegbereiter angesehen werden können, haben sich von der Vorstellung getrennter Disziplinen gelöst und stattdessen Wege gefunden, Nachrichten über Disziplinen hinweg, mit einer ganzheitlichen Vision und einem umfassenden Ansatz für Veränderungen zu produzieren. Die Medienproduktion des 21. Jahrhunderts ist gekennzeichnet durch Technologie, künstliche Intelligenz, Analytics, gegenseitige Bereicherung, Mashups von Inhalten und Genres sowie benutzergeführte Inhalte und weniger durch die zunehmend obsolet werdende Unterteilung in Bereiche rund um Genres oder Formate.

Sollte das Ziel der Regierung die Unterstützung der österreichischen Medien bei der Anpassung an diese Trends sein, dann sollte sie ihre Förderziele im Bereich Digitale Transformation (§ 33c.) sowie den Begriff des Digital-Journalismus überdenken (§ 33d.) und das Gesetz dementsprechend überarbeiten. Anstatt öffentliche Gelder in die vage definierten „Digital Asset Management Systeme“ oder die überholten „VPN bzw. „remote“ Zugänge“ zu investieren (siehe die Erläuterungen zum Gesetzesentwurf), die es eigentlich schon seit einem Jahrzehnt geben sollte, wäre es besser den Impuls zu nutzen, um bei staatlichen Zielen ein Umdenken in Richtung sinnvoller Pluralität und Vielfalt der digitalen Medien zu erreichen.

Die Pluralität der österreichischen Medienlandschaft weist mehrere Mängel auf, wobei das staatliche Förderungssystem wiederholt genannt wurde. Die jüngsten Ergebnisse des European Media Pluralism Monitor (2020), der den Zustand der Medienlandschaften sowie Bedrohungen für den Medienpluralismus und die Medienfreiheit dokumentiert, hob klar die Notwendigkeit einer Verbesserung bei der Vergabe öffentlicher Subventionen hervor.  Die Verteilung und Verwaltung von Medienförderungen obliegt in Österreich der RTR GmbH. Sie ist die Verwaltungseinheit der Medienbehörde KommAustria, die das Feld der Medien und Telekommunikation reguliert. Die Förderungen – bis heute 37 Millionen Euro jährlich – waren der Erhaltung und der Weiterentwicklung der Medienvielfalt in Österreich und dem fairen Wettbewerb gewidmet. Es gibt sieben unterschiedliche Fördertöpfe, die die unterschiedlichen Medienbereiche (Presse, Fernsehen, Radio – aber nicht den Online-Bereich!) abdecken, einschließlich der privaten und der Community-Medien (die weit abgeschlagen die geringsten Mittel erhalten). Die Gerechtigkeit des Förderungssystems wurde lange Zeit von Expert*innen kritisiert und diskutiert, wobei betont wurde, dass Boulevardzeitungen mit einer hohen Auflage überproportional von der Förderung profitieren und die Privatrundfunkförderung ungefähr sieben Mal so hoch ist wie die Förderung des nichtkommerziellen Rundfunks.

Nicht nur die Gerechtigkeit des Systems ist fragwürdig, sondern auch die Form der Geschlechtergleichstellung als ein Aspekt der Pluralität. Kürzlich haben wir in unserer Forschung untersucht, in welchem Ausmaß der Faktor „Geschlecht“, entweder als quantitative Anforderung (ausgewogenes Geschlechterverhältnis in der Medienorganisation) oder als qualitative Anforderung (ausgewogene Darstellung der Geschlechter in den Medieninhalten) bei der Vergabe von Förderungen durch die KommAustria/RTR berücksichtigt wurde. Wir haben untersucht, ob die Höhe der Fördermittel mit einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis im Redaktionsteam und der Chefredaktion des Fördermittelempfängers korreliert, indem wir die größten Tageszeitungen Österreichs als Stichprobe herangezogen haben. In der Untersuchung konnte keinerlei Korrelation festgestellt werden.

Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Je höher der Männeranteil in der Nachrichtenredaktion war, desto höher waren die staatlichen Fördergelder. Außerdem haben wir die genauen Förderungskriterien analysiert und nach qualitativen Anforderungen in Bezug auf das Geschlecht als Aspekt der Medienpluralität gesucht, konnten allerdings keine einzige derartige Anforderung finden, obwohl es keine rechtlichen Barrieren seitens der RTR und der betroffenen Fachbeiräte gab, diese Anforderungen zu stellen. Unsere Forschung konnte damit einen weiteren wichtigen Beweis für die systematischen und strukturellen Mängel im öffentlichen Fördersystem in Österreich aufzeigen, welches nicht den demokratischen Zielen folgt, für die es eingeführt wurde, nämlich der Förderung eines diversen und inklusiven, vermittelten öffentlichen Bereichs.

Das neue Gesetzesvorhaben bietet eine echte Chance, die öffentlichen Ziele zu überdenken, da es an der Zeit ist, rechtlich verbindliche qualitative Kriterien für die Vergabe von Fördermitteln einzuführen, die vonseiten der Befürworter des Gesetzes als bahnbrechende Änderungen bezeichnet wurden. Die neuen Regeln, die vorgeschlagen wurden, enthalten bereits Mindestanforderungen für den Förderungsanspruch, die Medien, die zu Hass oder Gewalt anstiften, ausschließen (§ 33a. (5)). Warum sollten wir nicht Geschlechtergleichstellung in der Redaktion als Anforderung hinzufügen? Wir könnten uns der guten Bespiele der Berücksichtigung von Geschlechtergleichstellung im öffentlichen Beschaffungswesen in Europa besinnen, wo öffentliche Mittel nur vergeben werden, wenn Antragsteller*innen ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in der eigenen Organisation erzielen konnten. Darüber hinaus könnten sich die Kriterien zur Förderung der digitalen Transformation (§ 33c.) auf die langersehnte Forderung nach echter Vielfalt in Medieninhalten beziehen und digitale Innovator*innen, die unausgewogene Darstellungen in den Medien in Frage stellen, unterstützen. Auch die staatliche Förderung des Digital-Journalismus (§ 33d.), der Weiter- und Fortbildung für journalistischen Mitarbeiter*innen und Praktika für neue Talente unter den Digital Natives vorsieht, sollte geschlechtsbezogene Aspekte normativ vorgeben.

Impulse in der Medienpolitik sind selten und einzigartig, deshalb sollten sie geschätzt und bestmöglich zur Erreichung demokratischer Ziele genutzt werden. Für junge Frauen, die in den Journalismus einsteigen wollen und für alle, die eine nachteilige gesellschaftliche und stereotype Darstellung in den Medien in Frage stellen ist der österreichische Mediensektor, wie ich bereits dargelegt habe, weder einladend noch unterstützend. Die anhaltende und furchtbare Pandemie stellte sich als Katastrophe für den Feminismus heraus. Die Medien waren keinerlei Unterstützung für den täglichen Kampf der Frauen. Jede einzelne Möglichkeit, wie beispielsweise das neue Gesetzesvorhaben, sollte umsichtig im Sinne der Gleichstellung und Gerechtigkeit in der Gesellschaft genutzt werden.

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