Der inszenierte Corona-Krisenmanager

Petra Bernhardt
am 18.11.2020

Die Auftritte des so genannten virologischen Quartetts bestehend aus dem Bundeskanzler, dem Vizekanzler, dem Innenminister und dem Gesundheitsminister sind zu einem fixen Bestandteil der Corona-Ikonographie in Österreich geworden. Dabei handelt es sich um eine schier endlose Abfolge von Pressekonferenzen zur Ankündigung von Maßnahmen – oder zur Ankündigung der Ankündigung geplanter Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Trotz ihrer häufigen Auftritte hat die Regierung bislang noch nicht zu einer Krisenkommunikation gefunden, die in einer angemessenen Gefahrenwahrnehmung der Bevölkerung resultiert.

Das liegt nicht zuletzt an inkonsistenten Botschaften (z. B. zur Wahrscheinlichkeit einer zweiten Welle und eines Lockdowns) oder einem Offenlassen zentraler Fragen (z. B. zur geplanten Vorgehensweise, um einen weiteren Lockdown zu verhindern). Dass es nicht nur mit der Bevölkerung, sondern auch innerhalb der Koalition kommunikative Schwierigkeiten geben dürfte, zeigt etwa das Erstaunen des Gesundheitsministers über die Ankündigung des Bundeskanzlers, dass es Anfang Dezember in Österreich Corona-Massentests nach dem Vorbild der Slowakei geben werde. Wenn die Auftritte der Regierung also nicht zwingend zu Klarheit und Verständlichkeit beitragen, welchen Zweck könnten sie dann erfüllen?

Obwohl Gesundheitsminister Rudolf Anschober die oberste Sanitätsbehörde des Landes ist, dominiert Bundeskanzler Sebastian Kurz die mediale Darstellung der Krise. Eine Langzeitperspektive auf das visuelle Framing des Bundeskanzlers im Zusammenhang mit der Pandemie seit März 2020 zeigt, dass österreichische Medien Kurz als Entscheidungsträger in der Krise konstruieren. Dabei sind nicht nur die Häufigkeit der Auswahl von Bildern sowie die Prominenz ihrer Platzierung in einem Medium relevant, sondern auch Kriterien der Bildgestaltung. Eine Bedeutungszuweisung kann beispielsweise durch die Einzeldarstellung des Kanzlers (als Single-Auskopplung des virologischen Quartetts, siehe z. B. Abbildungen 1-4) oder durch Bildmontagen geschehen (siehe Abbildung 5).

Abbildungen 1-3: Screenshots der Website des KURIER am 13., 14. und 15. November 2020 Abbildungen 4-5: Screenshots der Website von OE24 am 14. November 2020

Eine weitere Möglichkeit der Bedeutungszuweisung liegt in ästhetischen Darstellungsformen der Fotografie (wie beispielsweise einem Spiel mit Bildschärfe und -unschärfe), um einzelne Akteure optisch hervorzuheben bzw. zu marginalisieren (siehe Abbildung 6-8).

Abbildungen 6-8: Screenshots der Websites von KURIER und KRONEN ZEITUNG (14. November 2020)

Diese visuelle Zuspitzung der Krise auf Sebastian Kurz entspricht seiner Selbstinszenierung, wie er sie beispielsweise auf seinen offiziellen Social-Media-Kanälen zeigt. In einem aktuellen Instagram-Eintrag verkündet Kurz die beschlossenen Maßnahmen im Setting der bereits erwähnten Pressekonferenzen, wobei das Foto mit dem Corporate Design der Partei kombiniert und mit seinem Logo versehen wird (siehe Abbildung 9).

Abbildung 9: Screenshot eines Instagram-Eintrags von @sebastiankurz am 17. November 2020, https://www.instagram.com/p/CHrzd_Il9WW/

Einzelne Medien (wie OE24, Kronen Zeitung oder der Kurier) setzen dieses Deutungsangebot eines zentralen Entscheidungsträgers in der Krise besonders plakativ um (siehe z. B. Abbildungen 10 und 11).

Abbildung 10: Screenshots der Website von OE24 im März 2020

Abbildung 10: Cover der Krone Bunt am 29. März 2020

Wo sind eigentlich die Grünen? Während der Bundeskanzler konsequent an seiner Stilisierung zum Krisenmanager und “Retter” des Weihnachtsfestes arbeitet (wir erinnern uns an die “Auferstehung” nach Ostern), ist es um den Koalitionspartner erstaunlich still.

Weder versuchen die Grünen, dem inszenatorischen Alleingang mit eigenständigen Strategien zu begegnen, noch zeigen sie besonderes Engagement, offenkundige PR-Aktionen als solche zu benennen und sich davon zu distanzieren. Dabei unterschätzen sie langfristige Wirkungspotenziale dieser inszenatorischen Zuspitzung: nämlich dass Politiker, die besonders häufig und prominent in der Medienarena vorkommen, tendenziell auch als relevanter wahrgenommen werden.

Weitere Ausgaben:
Alle Artikel des FALTER THINK-TANK finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!